Klima-Retter reisen auch gern

Auf der Pressekonferenz der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) ergreift der Minister für Tourismus, Kultur und Kunst aus Malaysia Datuk Mohamaddin bin Ketapi das Wort, denn sein Land ist in diesem Jahr offizieller Partner.
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures

Besonders stolz erzählt er, dass immerhin 130.000 deutsche Touristen im letzten Jahr Malaysia besucht haben. Es klingt ein wenig die Hoffnung mit, dass es noch mehr werden von überall. Diese Hoffnung haben auch die Vertreter von über 180 Ländern und Regionen, die aus allen Enden der Welt angereist sind. Und diese Hoffnung wird sich für die allermeisten Aussteller, 80 Prozent kommen aus dem Ausland, auch erfüllen. Der langjährige Geschäftsführer der Messe, Dr. Göke, gibt ihren Erwartungen noch mehr Rückenwind, und sagt voraus, die Umsatzzahlen werden auch auf dieser ITB wieder steigen, Reisen boomt, Reisen boomt weiter. Das ist die eigentliche Botschaft dieser Messe. Aber es gibt noch andere Botschaften von dieser weltweit größten Reisemesse. Zum umfangreichen Kongress-Programm gehört auch der CSR Day. CSR steht für Corporate Social Responsibility (CSR) oder Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung. Hier diskutieren Tourismusfachleute über den Klimawandel und haben dazu den Umweltschutz im Blickpunkt. Ein wichtiges Thema für die Branche, denn der weltweite Tourismus braucht verantwortungsvolles Handeln und den Weitblick. An erster Stelle der Gastrednerliste stand Prof. Dr. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor Emeritus des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Er gilt als der Klima-Papst und regierungsnah in Deutschland mit höchster internationaler Vernetzung. Schellnhuber lieferte sein Weltbild in grellen Farben, Plastik-Müllberge in Indonesien, Waldbrände in Kanada, vertrocknete Felder aus dem Sommer 2018 in Deutschland. In seinen poppigen Dias wurde die hoch schnellende Fieberkurve der Erde gezeigt, Diagramme ließen die Erderwärmung auf einen Spitzenwert bis zu 8,5 Grad Celsius klettern, Horror-Szenarien beschrieben die Situation, wenn das Eis der Pole schmilzt und bei sechs Meter Anstieg der Meere Teile Deutschlands und der USA überschwemmt werden und daraufhin riesige Ströme von Klimaflüchtlingen unterwegs sind. Schließlich blieb noch etwas Zeit, um den Flugverkehr auf der Welt zu geißeln und das Schlimmste vor allem, die Flotte der Kreuzfahrtschiffe, an den Pranger zu stellen. Die reisende Welt blickt nach dieser Brandrede erschaudernd in den Abgrund. In der anschließenden Diskussion erschienen Fragen aus dem Auditorium auf der Leinwand. Ist nicht die wachsende Erdbevölkerung das viel größere Problem unseres Planeten als die Emissionen? Kann man die Erderwärmung stoppen ohne Reduzierung des Tourismus? Sollte etwa das Fliegen ganz gestoppt werden? Diese und weitere Fragen waren klüger als manche Antworten und ideologische Bekenntnisse des Klima-Professors, der in seinem Vortrag auch auf den Disput mit vielen seriösen anderen wissenschaftlichen Positionen glaubte, verzichten zu können. Wie sich der Tourismus seiner Verantwortung für die Umwelt und die Menschen stellt, zeigen viele Beispiele auf der Reisemesse, unter anderem die Politiker und Reiseveranstalter im Nationalpark der Galapagos-Inseln. Die Regierung von Ecuador sorgte zusammen mit Wissenschaftlern und Reiseveranstaltern dafür, dass die Zahl der Besucher auf den vier Hauptinseln auf etwa 276.000 jährlich begrenzt wird. Das ist möglich, weil sowohl die Zahl der Schiffe als auch die Zahl der Betten auf den Schiffen mit 1660 täglich konstant gehalten werden kann. Der Schutz der Umwelt beginnt zuallererst damit, die Zahl der Touristen zu beschränken. "Es besteht eine win-win Situation", so Frank Alte langjähriger Kenner und Veranstalter auf Galapagos. "Die Besucher lernen die Natur lieben und sind mehr motiviert, sie zu schützen. Und die Bewohner, die dank Touristen ein gutes Einkommen haben, schützen ihre Natur ebenso." Sicher muss man Umwelt-Sünden der Reisewirtschaft benennen und bekämpfen. So sind z. B. Zahl und Routen von Kreuzfahrtschiffen zu überdenken. Allerdings entspringen Verbote und ein "Alarmismus" im Tourismus veralteten Machtphantasien und nur allgemeine Hinweise z. B. auf alternative Antriebe bei Kreuzfahrtschiffen sind wenig hilfreich beim Lösen von Problemen. Auf die Frage nach seinen Tätigkeiten als Emeritus-Professor bekannte Hans Joachim Schellnhuber offen, dass er gern durch die Welt reise und seine Ergebnisse der Klimaforschung propagiere. Die Einladung zu einer Rede in einem Jahr auf der ITB 2020 hat er bereits gern angenommen.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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