Subbotnik statt Fridays

Angesichts mancher Stürme im Wasserglas in der Innenpolitik im Land und dem Dahinsiechen der so genannten Volksparteien gibt es vermehrt Warnungen, die das Schreckgespenst von staatlicher Regulierung und Planwirtschaft à la DDR an die Wand malen.
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures

Ohne den Leitartiklern bei diesem Thema ins Handwerk zu pfuschen, drängt sich doch der Gedanke auf: Damals mit dem real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden war ja nicht alles schlecht - zum Beispiel der Subbotnik. Und dieser Begriff, abgeleitet von dem russischen Wort subbota zu deutsch Sonnabend, bezeichnete unbezahlte Arbeitseinsätze am Sonnabend. Der Begriff und seine inhaltliche Aufladung kam aus der früheren Sowjetunion. Freiwillige und unentgeltliche Arbeit bei bestimmten Tätigkeiten für die Gesellschaft sollte damit gefördert werden. Die meisten DDR-Bürger erlebten den Subbotnik bei der Pflege von Vorgärten in Dörfern und Städten, vor allem in Neubaugebieten von Großstädten, da dem Wohnungsbau-Programm zumeist Arbeitskräfte und Geld für das Anlegen und die Pflege von Grünanlagen fehlte. Obwohl sich wie in meinem Wohngebiet in Berlin-Marzahn mitunter die Mehrheit der Mieter vor dem freiwilligen Arbeitseinsatz im Vorgarten des eigenen Wohnblocks drückte, wurden vom kleinen Rest emsig Sträucher und kleine Bäume gepflanzt. Die Betonwohnwelt wurde etwas grüner und schöner. Außerdem entwickelte sich ein Miteinander der aktiven Haus-Bewohner, bei der Gartenarbeit und bei anschließender Grillwurst mit Bier. Der Subbotnik wurde sicherlich auch angefeindet und belächelt, hatte jedoch bei der Mehrheit der Bevölkerung ein durchaus positives Image und vor allem vorzeigbare Ergebnisse: Mehr Grün für die Umwelt. Nach der Wende wurde der Subbotnik als veraltetes Utensil der Mangelwirtschaft Sozialismus umgehend entsorgt. Aber hätte der Subbotnik nicht auch in der Gegenwart wieder einen Platz verdient? Ist eine freiwillige unentgeltliche Arbeit für die Gesellschaft nicht sogar dringender erforderlich und im Besonderen, wenn es um den Schutz, den Erhalt und die Gesundung der Umwelt geht? Stattdessen demonstrieren in jüngster Zeit unter dem anhaltenden Beifall von Staatsfunk und Mainstream-Medien abertausende junge Leute, meist Schüler, auf der Straße. Sie tragen Schilder mit dramatischen Losungen zur Rettung der Welt. Die jungen Demonstranten und ihre sehr viel älteren Unterstützer im Hintergrund nennen die entstandene Bewegung Fridays for Future, diesen Wochentag wörtlich nehmend als freien Tag von der Schule zur Demo für die Umwelt. Demgegenüber hätte ein Subbotnik ganz unmittelbar klar erkennbare Vorteile für die Umwelt. Die Aktionen können sich konkrete abrechenbare Ziele stellen. Beispielsweise müssten stark geschädigte Wälder im Brandenburgischen oder im Harz rund um den Brocken gemeinsam mit fachkundigen Förstern dringend mit Mischwald wieder aufgeforstet werden. Da käme eine Menge für eine bessere CO2 Bilanz zusammen. Andere konkrete Betätigungsfelder für einen Umwelt Subbotnik lassen sich mühelos finden. Der nahezu ungeteilte Beifall der Öffentlichkeit wäre den Aktivisten gewiss. Und auch Politiker wären sicherlich dabei, da sie sich gerne mit ersten Spatenstichen fotografieren lassen, warum nicht auch beim Pflanzen von Bäumen. Außerdem fällt beim Subbotnik am Sonnabend kein Unterricht aus und so kann der Freitag in der Schule mit zusätzlichen Physik-, Chemie-, Mathe- und Geografie-Unterrichtsstunden genutzt werden, um sich mehr Grundkenntnisse über das Klima und Kohlendioxid anzueignen. Auch das aus dem russischen entlehnte Wort Subbotnik sollte kein Hindernis sein. Nennen wir es einfach: Saturday for Environment, free of charge.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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