Ein Feuerwerk von Situations-Komik

Schlosspark Theater startet mit grandioser Premiere des Musicals "Sugar" in die neue Saison.

Ensemble Schlosspark Theater, Foto von ESDES.Pictures
Ensemble Schlosspark Theater, Foto von ESDES.Pictures

Der Intendant Dieter Hallervorden hat nicht zu viel versprochen. Auf der Pressekonferenz zur Eröffnung der neuen Spielzeit im Schlosspark Theater kündigte er einen fulminanten Start an. Und den erlebte und feierte am 3. September mit viel Szenenapplaus und mehreren Vorhängen das Premierenpublikum mit dem Musical "Sugar". Hallervorden hatte Tage vorher den versammelten Journalisten auch verraten, dass er sich schon lange um die Aufführungsrechte bemüht hatte und nun erfolgreich war. Der Einsatz des erfahrenen Theatermannes und sein Gespür für attraktive Theaterprojekte haben sich ausgezahlt. Für diese grandiose Musicalaufführung, auf die die Berliner Theaterszene stolz sein kann, gibt es mehrere Gründe.

Da ist zunächst der Plot, zu dem der hinreißende Film-Klassiker "Manche mögen`s heiß" aus dem Jahr 1959 von Billy Wilder und I.A.L. Diamond die Vorlage lieferte. Der geniale Drehbuchautor, Regisseur und Produzent Wilder erkannte in der Buchvorlage von Robert Thoeren die Story für einen Welterfolg und der Film erreichte damals im Westen wie auch im Osten Deutschlands Kultstatus. Dann entstand ein Dutzend Jahre später das Musical als eine Blaupause des Films und wurde 1972 nach einem Buch von Peter Stone und der Musik von Jule Style am Broadway in New York erfolgreich uraufgeführt. Der Siegeszug des Musicals führte auch nach Europa und in der deutschsprachigen Adaption von Peter Ensikat auch an Bühnen in Deutschland. Die deutsche Erstaufführung fand 1989 am Berliner Metropol Theater in der DDR statt.


Dieter Hallervorden

Die Musical-Handlung ist schnell erzählt. Im Chicago des Jahres1929 geraten zwei arbeitslose Jazz-Musiker zwischen die Fronten rivalisierender Gangsterbanden, geraten auf deren Todesliste und müssen die Flucht ergreifen. Sie heuern deshalb bei einer Damen-Kapelle an, die zu einem Engagement nach Florida reist und die dringend eine Saxophon-Spielerin und eine Bass-Spielerin suchen. Die beiden Männer Joe und Jerry müssen sich verwandeln in Josephine und Daphne. Auf der Zugfahrt in den Süden verlieben sie sich in die Sängerin der Band, Sugar Kane. Nun ist die Männerwelt hinter allen drei Frauen her mit Turbulenzen ohne Ende. Es wird ein Feuerwerk an Situationskomik versprüht. Das führt dann zum Höhepunkt mit dem wohl berühmtesten Schlusssatz der Film- und Musical-Geschichte: Als dem alternden Millionär Osgood Fielding III. von seine Herzensdame Daphne, die er heiraten will, eröffnet wird, dass sie in Wirklichkeit ein Mann sei und der darauf ganz entspannt erwidert: "Nobody‘s perfect".

Einen großen Anteil an dem erfolgreichen Abend hat der Regisseur Klaus Seiffert, der auch für die gespielte deutsche Fassung des Musicals sorgte. Bei allem legendären Nachruhm des Billy-Wilder-Films ist "Sugar" kein Selbstläufer. Die wohl wichtigste Herangehensweise und oberstes Gebot besteht darin, "nichts zu kopieren", so Klaus Seiffert. Auch wenn der aufmerksame Zuschauer manches von Spielstil und Timing des Filmes wieder entdeckt, gibt es jede Menge Eigenständiges, feine Regieeinfälle und manche neue Pointe. Die große Herausforderung, eine Musicalfassung für eine große Theaterbühne auf die kleinere Bühne in Steglitz zu übertragen, ist ebenfalls perfekt gelungen. Immerhin mussten insgesamt 16 Handlungsorte mit den zugehörigen Requisiten auf die Bretter gestellt werden und innerhalb von Sekunden gewechselt werden. Der Bühnen- und Kostümbildner Tom Grasshof sorgte für originelle wie elegante Lösungen. Das war bitter nötig, denn das kleine Schauspiel-Ensemble von nur elf Schauspielern schlüpfte immer wieder in weitere für die Handlung notwendige Nebenrollen mit dazu passenden Kostümierungen. So tauchte dann der etwas unbeholfene tapsige Manager der Frauen-Kapelle Bienstock (Jens Krause) plötzlich als 1. Gangster auf und Gamaschen-Palazzo (Robin Poell) als Taxifahrer.

Es gehört zu den Binsenweisheiten: Ein solcher Musical-Abend steht und fällt mit den Darstellern auf der Bühne. Besonders im Blickfeld stehen die drei Hauptdarsteller, die zwei Jazzmusiker Joe und Jerry und die von ihnen angehimmelte Sängerin Sugar. Alle drei Künstler haben es geschafft, recht schnell ihre historischen Film-Vorbilder vergessen zu machen. Sie haben nicht nur ihren eigenen Stil als Schauspieler gefunden, sondern auch bei den live gesungenen Musicalsongs sowie auch tänzerisch überzeugt. Das gelingt den beiden Darstellern in der Rolle der Musiker Joe (Josephine) Arne Stephan und Jerry (Daphne) Lukas Benjamin Engel ganz ausgezeichnet, wobei der Part der vom Millionär Osgood umschwärmten Daphne viel komödiantisches Geschick abverlangte. Den Millionär verkörperte in einer Glanzrolle der durch Fernsehauftritte bekannte Schauspieler und Comedian Ralph Morgenstern mit ausgiebiger Spielfreude. Und zum musikalischen Vergnügen der Zuschauer darf die Schauspielerin Antje Rietz in der Rolle der Bandleaderin Sweet Sue auch beweisen, dass sie Trompete spielen kann.


Ralph Morgenstern in der Rolle von Millionär Osgood

Das Urteil "überzeugend" gilt im Besonderen für die Schauspielerin Johanna Spantzel in der Titelrolle als Sugar, die auch gehörig live zu singen und zu tanzen hat. Sie bringt einige Erfahrung von Auftritten auf deutschen Musicalbühnen mit nach Berlin, für die sie für den deutschen Musical Preis nominiert wurde. Auf die Frage, ob sie sich nach der Übernahme der Rolle der blonden naiven Sängerin "Sugar" die Billy Wilder Filmfassung mit Marylin Monroe schon angesehen habe, hat sie nur lächelnd geantwortet: Das habe ich mir aufgespart für die Zeit nach der Premiere. Schließlich liegt ein weiterer Grund für diese erfolgreiche Musical-Premiere nicht zuletzt in einigen ganz exzellenten Choreografien des seit 20 Jahren in Deutschland lebenden Brasilianers Mario Mariano, die ergänzt wurde durch die Stepp-Choreographie des leidenschaftlichen Stepp-Tänzers Robin Poell. Dem Zuschauer werden ihre Arrangements wie der urkomische Tanz der mumienhaften alten Millionäre, der Gangster-Stepp-Tanz oder das Schwofen von Josephine und Daphne mit Gamaschen-Palazzo lange in Erinnerung bleiben. Ein Vergleich mit der Choreografie des mit acht Oscars überhäuften US-amerikanischen Films "Cabaret" von Bob Fosse ist durchaus angebracht.

Insgesamt verging die zweieinhalb Stunden der Premieren-Aufführung wie im Fluge und das gesamte Team wurde mit viel Applaus und Standing Ovations belohnt. Es ist auch ein Applaus für den Theaterleiter Dieter Hallervorden, der gemeinsam mit Mitarbeitern seines Theaters den Darstellern für ihren glanzvollen Auftritt Blumensträuße überreichte.


Johanna Spantzel in der Hauptrolle "Sugar"

Das Berliner Publikum kann sich darauf freuen, dass in der neuen nunmehr 14. Spielzeit das Musical "Sugar" insgesamt 40-mal auf dem Spielplan steht. Und dieser Musical-Erfolg ist ein laut vernehmbarer Gongschlag für die nächste Spielzeit mit vier weiteren Eigenproduktionen und drei Wiederaufnahmen sowie zwei Gastspielproduktionen. Beispielhaft zu nennen hier die Komödie "Das Abschiedsdinner", unter anderem mit Dominique Horwitz (Premiere am 12. November), die Aufführung von dem hochaktuellen Stück von Max Frisch "Biedermann und die Brandstifter" mit Dieter Hallervorden höchstselbst in der Rolle des Biedermanns (Premiere am 18. März) sowie "Die Kunst der UnFuge", eine gemeinsame Veranstaltungsreihe vom Deutschen Symphonie-Orchester mit Kabarettisten des Schlosspark Theaters, startend am 10. Oktober mit Mathias Richling. Trotz aller Unkenrufe im Jahr 2007 nach Gründung des von Dieter Hallervorden privat geschulterten Theaters setzen seine Macher mit großem Können und glücklicher Hand den Erfolgskurs fort. Das Schlosspark Theater bietet professionelle wie unterhaltende Theater-Kunst, die nicht vom Zeitgeist beschädigt, sondern von Charakter und politischer Vernunft geprägt ist. Der Spruch: "Heute gehen wir ins Theater nach Steglitz" macht in Berlin weiter seine Runde. Und das ist gut so.

Das Musical "Sugar" spielt en suite bis zum 16. Oktober jeweils von Dienstag bis Sonntag, Montag ist Ruhetag.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

Bei Magazin CHEXX werden Cookies und andere Technologien verwandt. Durch Anklicken des Buttons Akzeptieren stimmen Sie der Verwendung zu. Ausführliche Informationen hierzu finden Sie unter Datenschutzerklärung.