Im Gespräch mit ... Matthias Jabs von den Scorpions

Erfolgreicher kann eine Band aus deutschen Landen kaum sein: Die Scorpions. Die Megaband aus Hannover verkaufte weltweit über 70 Millionen Platten. Nun ist das neue Album am Start: "Humanity". CHEXX sprach exclusiv mit Matthias Jabs von den Scorpions.

Scorpions
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CHEXX Die Scorpions existieren schon seit 1965 - und das wahnsinnig erfolgreich. Welches Gefühl gibt es euch, mit ein gutes Stück der Musikgeschichte zu sein?

Matthias Jabs Ja, seit 1965 eher nur als Schülerband. Wir sehen den Haupttermin der Scorpions-Gründung aber bei 1972. Grob gibt es die Band seid 35 Jahren, das kann man nicht so genau bestimmen - die Schülerbandzeiten gehören halt nicht dazu. Es ist schon eine lange Zeit, fühlt sich aber gut an - fühlt sich sogar sehr gut an. Gerade jetzt mit dem neuen Album. Ich meine, unser neues Album ist sogar das Beste. Es gehört auf jeden Fall zu den besseren, die wir je gemacht haben.

CHEXX Gibt es denn auch ein Album, was ihr am liebsten nie herausgebracht hättet?

Matthias Jabs Ja, es gibt ein Album: "Eye to Eye". Das haben wir Ende der neunziger Jahre gemacht. Da hatten wir eigentlich eine gute Absicht. Wir meinten es gut - es ist nur nicht gut geworden. Wir wollten mal was Neues machen, mal weg von dem immer gleichen. Das ist uns auch gelungen, es ist nur nicht wirklich gut angekommen. Ich habe dann damals gesagt, das ist der beste Fehler, den wir je gemacht haben. Wir haben es quasi bereut, es heraus gebracht zu haben, aber wir haben daraus gelernt. So soll die Musik halt nicht sein.

CHEXX Wie haben die Fans auf das Album reagiert?

Matthias Jabs Manchmal merkt man da doch, wie konservativ manche Rock-Fans sind. Die wollen die Musik unverändert, am besten die ganzen 42 Jahre lang (lacht). Das schöne ist, die Fans wachsen ja mit, einige unserer Fans sind bestimmt auch schon tot, aber es kommen ja immer neue dazu, gerade bei Live-Konzerten gibt es auch viele junge Leute. Die jungen, sogar 11- oder 12jährige interessieren sich für Musik der 80er Jahre. Von daher kommen auch viele jugendliche Fans dazu, zuzüglich zu all den alten Fans. Obwohl wir in den letzten Jahren keine großen Hits hatten, haben wir halt neues Publikum bekommen. Und das alte bleibt natürlich.

CHEXX Ihr wart mal Vorband von The Sweet und von KISS. Gibt es daran eine besondere Erinnerung?

Matthias Jabs Das war vor meiner Zeit, ich glaube 1976, ich weiß nur, mit KISS haben wir zu meiner Zeit ja auch noch mal gespielt, da hat man sich während den Proben gesehen, das war schon sehr nett.

CHEXX Angefangen habt ihr eher als Hardrocker. Später wurden die Scorpions immer melodischer und weicher. Ein gutes Beispiel dafür ist euer Megahit "Wind of Change". Das wirkt wie eine musikalische Wendung. Wurde das von Fans kritisiert?

Matthias Jabs Wir haben ja erst in den 80er den internationalen Erfolg gehabt. Die Musik, die wir da gemacht haben, hat für die meisten Fans ja erst den Scorpions-Stil geprägt, weil auch dann erst so viele neue Fans kamen. "Rock you like a Hurricane" wird zum Beispiel heute noch mehr gespielt als jeder andere Rocksong. Mit "Wind of Change", Anfang der Neunziger haben wir das Ganze noch mal übertroffen. "Wind of Change" ist ja ein eher weicherer Song, aber so wahnsinnig erfolgreich. Viele Leute, die nicht nachdenken können, haben einfach so gedankenlos geschrieben: die Balladenband. Und die ganzen Leute, die dann wegen diesem Balladen-Lied zum Konzert gekommen sind, mussten sich erstmal 2 Stunden den ganzen Hardrock anhören und konnten dann nach einem einzigen Balladen-Song wieder nach Hause gehen. "Wind of Change" ist halt eher die Ausnahme, aber da der Song so wahnsinnig erfolgreich ist, verzerrt er die Perspektive einfach. Aber ansonsten wird auch der Fan mit seiner konservativen Art auf dem neuen Album unseren Stil erkennen. Wir haben ja auch nicht erst das dritte Album veröffentlicht, sondern über 20. Man kann ja nicht immer das Gleiche machen, man will sich ja als Künstler betätigen.

CHEXX Wie viele Millionen Platten habt ihr verkauft? Wenn man finanziell so ausgesorgt hat, probiert man dann mehr aus, weil man es sich leisten kann?

Matthias Jabs Man sagt, es sind fast 70 Millionen offiziell, aber ich persönlich denke, dass es über 100 Millionen sind, ich denke da an den Schwarzmarkt. Gerade in Russland, wo wir auch viel spielen, oder in Thailand. Dort wird halt offiziell und inoffiziell gleichzeitig verkauft. In Thailand haben wir über eine Million Platten offiziell verkauft. Die billige Piraterie-Kopie wurde dann bestimmt 3 Millionen Mal verkauft, weil sie auch nur ein Drittel kostet. Aber offiziell sind es so knapp 70 Millionen. Was das ausgesorgt haben angeht: Wir haben jetzt in Los Angeles vier Monate produziert und für Unterbringung und Studios und so weiter gut 1,5 Millionen Euro ausgegeben. Das macht heute keine Band mehr. Die Eagles vielleicht noch, einige wenige andere vielleicht - so was spielt man ja nie wieder ein. Ob wir das einspielen, weiß ich auch nicht, man hat also schon hohe Kosten. Aber das ist die einzige Möglichkeit, auf dem hohen Niveau noch eine Platte aufzunehmen, die uns auch Spaß macht. Wir haben neulich in Hannover aufgenommen, das ist nicht das Gleiche. Aber so was kostet halt auch entsprechend. Und da wir ja weltweit verkaufen und produzieren, wollen wir halt auch den hohen Standard halten.

CHEXX Da ihr ja nicht nur in Deutschland erfolgreich seid, sondern weltweit: Inwiefern unterscheiden sich die Fans voneinander?

Matthias Jabs Das ist eigentlich total erstaunlich, die Reaktionen auf die Musik ist fast immer die gleiche. Ob in Kasachstan, oder Neukaledonien, das ist egal. Naja, das Temperament der Mexikaner und Brasilianer sticht hervor, die springen dann schon wie wild durch die Gegend, aber das machen die wohl auch bei anderer Musik, das liegt halt am Temperament. Aber egal wo wir spielen, auch Amerika oder Russland, die Fans reagieren gleich.

CHEXX Inwieweit muss ein Musiker ein guter Geschäftsmann sein?

Matthias Jabs Ich habe keine Lust, mich mit Geschäften zu beschäftigen. Ich sage es mal so: Es ist halt so, dass ein guter Musiker kein Geschäftsmann ist. Es gibt zwar auch Geschäftsmänner mit Musikinstrument in der Hand, das sind dann aber meistens keine guten Musiker. Wir hatten auch mal einen Bassisten in der Band, der gerne auch mal mit Aktenkoffer durch die Gegend lief, aber er war halt auch nicht unbedingt ein guter Musiker. Geschäftsunterlagen machen keinen Spaß, das schiebt man dann halt an andere ab, auch wenn man dann Gefahr läuft, ein wenig übervorteilt zu werden.

CHEXX Was gab es denn für Krisenzeiten bei den Scorpions?

Matthias Jabs Es gab eine große Krise, über die auch viel in den Medien berichtet wurde, dass war, als Klaus 1981 seine Stimme verloren hatte. In der Zeit war es nicht klar, wie es weitergeht. Dann kam, nachdem er wieder singen konnte, unser neues Album raus, welches uns dann auch weltweit Erfolg gebracht hat - das war dann das Ende der Krise. Dann gab es noch eine zweite Krise in den Neunzigern, die Umgebung hatte sich verändert, wir haben was Neues probiert, das besagte Album "Eye to Eye", das war wie gesagt der beste Fehler, den wir je gemacht haben, das hat uns wieder den richtigen Weg gezeigt.

CHEXX Habt ihr überhaupt noch einen Überblick, wie viele Songs ihr bereits eingespielt habt?

Matthias Jabs Das kann man schnell überschlagen. Auf den Alben sind so ungefähr je 12 Songs drauf und es gibt natürlich unheimlich viel eingespieltes oder unfertiges Material in unseren Schubladen. Das kann man kaum zählen. Es ist bestimmt mal interessant, da stöbern zu gehen. So ein altes Demotape aus den Siebzigern dürfte im Vergleich zu heute interessant klingen.

CHEXX Wollt ihr da nicht mal ein Bonus-Album heraus bringen, die letzten 30 Jahre Scorpions, die unveröffentlichten Lieder?

Matthias Jabs Ich weiß nicht, wer das hören will. Klar, es wäre interessant, wir haben auch richtig schöne Demos, die in der ungeschnittenen Produktion manchmal besser sind als die Endprodukte. Vielleicht im Rahmen eines Box-Sets: Dass man zu einem Album eine Bonus-CD mit reinlegt - das könnte man mal machen.

CHEXX Es gab ja häufig Besetzungswechsel, wie wirkt sich das auf die Band aus?

Matthias Jabs Wir sind ein ziemlich harter Kern. Unser Schlagzeuger ist auch schon seit 1996 dabei. Unser jetziger Bassist ist auch schon wieder 3 Jahre dabei und hat schon auf dem vorletzten Album mitgespielt. Mit dem neuen Bassisten ist schon etwas mehr Power drin, es kommt halt mal ein bisschen frischer Wind rein. Es war bei uns immer recht harmonisch, manche wollten halt einfach gehen. Es gab nur einen, den wir rausgeworfen haben, das war der Bassist, der eher Geschäftsmann sein wollte.

CHEXX Wie verändern sich Freundschaften, wenn der große Erfolg auf einmal da ist? Erkennt man da auch noch falsche Freunde?

Matthias Jabs Die erkennt man relativ leicht und schnell. Die andere Problematik ist, Freunde die man vorher hatte, kann man kaum halten. Man lebt einfach in total verschiedenen Welten, wenn man dann 13 Monate auf Tour ist und danach seine alten Freunde wieder sieht. Die können dann nicht nachvollziehen, was man alles erlebt hat. Man lebt sich leider sehr auseinander. Unter so unterschiedlichen Vorraussetzungen hält eine Freundschaft das selten aus.

CHEXX Habt ihr unter anderen Bands Freunde gefunden oder sieht man da eher eine Konkurrenz?

Matthias Jabs Also Konkurrenz nicht. Man sieht sich halt als gute freundschaftliche Bekannte. Wahre Freundschaft kann da auch nicht entstehen. Man ist viel zuviel unterwegs und trifft die anderen Bands dann im Regelfall auch nur für ein paar Stunden in der Hotel-Bar, bevor es wieder weitergeht. Oder wenn man in gleichen Hallen spielt, sieht man sich bei den Konzerten für ein paar Stunden, aber dann auch nicht lange.

CHEXX Gibt es denn nach Konzerten noch Zusammenkünfte mit Fans oder zieht ihr euch lieber zurück?

Matthias Jabs Es gibt Fans, die uns hinterher reisen, die kennen wir dann auch gut. Man trifft sich dann schon mal in der Lobby im Hotel. Teilweise fliegen wir aber auch direkt nach dem Konzert über Nacht noch in die nächste Stadt, da bleibt dann einfach keine Zeit. Es gibt aber schon diese Meet+Greet Veranstaltungen, da nimmt man sich dann halt schon gerne Zeit für die Fans.

CHEXX Ist es richtig, dass die Scorpions an Radio21 beteiligt sind?

Matthias Jabs Zwei aus unserer Band hatten sich da mal beteiligt, ich selber nicht. Ob das noch läuft, weiß ich gar nicht so genau, ich glaube, das wurde wieder rückgängig gemacht, das kann ich gar nicht so genau sagen.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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