Im Gespräch mit ... Urban Priol

Urban Priol hat in den letzten Jahren zahlreiche Kabarett- und Kleinkunstpreise abgeräumt -und das absolut zu Recht! Zusammen mit Georg Schramm hat er es geschafft, mit "Neues aus der Anstalt" ein völlig neuartiges Kabarett-Format im deutschen Fernsehen zu etablieren. Überall wo Urban Priol auftaucht, entzündet er stets ein gewaltiges Feuerwerk aus Schlagfertigkeit, Wortwitz und messerscharfen Pointen. Mit Diana Sonnenberg hat er für CHEXX über die Wahl des neuen US-Präsidenten Barack Obama, die Finanzkrise und seine "Lieblingspolitiker" gesprochen.

Urban Priol
Urban Priol

CHEXX Ihre wilde Haarpracht, bunte Hemden und das obligatorische Weißbier auf der Bühne gehören zu Ihren Markenzeichen. Ist es für einen Kabarettisten unabdingbar, derartige unverkennbare Merkmale zu besitzen?

Urban Priol Es hilft vielleicht etwas, da so ein gewisser Wiedererkennungsfaktor gegeben ist. Das hat sich bei mir einfach so ergeben. Irgendwann waren die Haare so wirr bei mir, weil sie eh immer etwas widerspenstig waren und die Hemden…nun, ich bin in der grauen Welt eh gern ein bisschen bunt. Das alkoholfreie Weißbier schmeckt mir einfach am besten. So ergab das alles am Ende eine Art "Gesamtkunstwerk".

CHEXX Das heißt, sobald Sie im Anzug auf die Bühne gehen würden, wäre Ihre Wirkung verändert?

Urban Priol Ach, ich war auch schon im Anzug auf der Bühne. Aber ich fühle mich in Anzügen einfach nicht so wohl. Ich versuche auf der Bühne schon so zu sein, wie ich im Privatleben auch bin und da gehört das Auftreten eben dazu. So fühle ich mich am wohlsten und das überträgt sich dann auch auf die Show.

CHEXX Sie nehmen sich in erster Linie politischer Themen an. Gibt es einen Unterschied für Sie, als Kabarettist oder Comedian gesehen zu werden? Wo sehen Sie sich?

Urban Priol Ich mag es eigentlich nicht, wenn man eine Unterscheidung der verschiedenen Begriffe vornimmt. Die Comedians haben bloß irgendwann den Fehler gemacht, sich vom Kabarett abzugrenzen und zu behaupten, sie hätten eine neue Kunstform erfunden. Dabei gab es diese Form bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den Seebädern in England. Vom Werdegang her würde ich mich allerdings schon als Kabarettisten bezeichnen. Aber ich fletsche auch nicht die Zähne, wenn mich jemand als Comedian bezeichnet. Ich finde nämlich, in jedem guten Programm sollten auch genügend comediantische Elemente enthalten sein.

CHEXX Sie beziehen Angela Merkel und Ääääädmund Stoiber oftmals mit in Ihre Sketche ein. Haben Sie eine spezielle Beziehung zu beiden?

Urban Priol Na gut, von Edmund Stoiber werden ja inzwischen eh nur noch die Tiefausläufer berücksichtigt, beispielsweise wenn er mal wieder auf einem Parteitag ausgebuht wird. Edmund hat sich ja selbst erledigt und wird nur noch von Zeit zu Zeit als Handpuppe in Erscheinung treten, oder uns damit überraschen, wie toll er in Brüssel die Demokratie abbaut und über den Krümmungsgrad von Gurken nachdenkt. Edmund Stoiber war ein guter Wegbegleiter über viele Jahre, verstaubt aber von nun an wohl in der Mottenkiste. Bei Angela Merkel ist es ja nun mal so, dass sie unsere Kanzlerin ist. Sie ist die Frau mit der Richtlinienkompetenz und die Frau, die vor drei Jahren gesagt hat, sie will Deutschland regieren - sie hat bloß Deutschland mit sich selbst verwechselt und richtet danach ja auch ihre Politik aus. Sie bleibt möglichst im Hintergrund und tritt oft nur moderierend in Erscheinung. Was mich an ihr fasziniert ist, dass sie zu einer Art Medienprodukt geworden ist, ohne greifbare Gegenleistung! Und dass sie beim Volk so beliebt ist, weil sie es in den letzten drei Jahren geschafft hat so zu tun, als hätte sie mit der Politik, die sie zu vertreten hat, eigentlich gar nichts zu tun…das ist schon faszinierend.

CHEXX Die Realität ist manchmal unschlagbar komisch. Die einzigartige Transrapid-Rede von Stoiber beispielsweise macht einen Kabarettisten doch sicherlich neidisch, weil sie nicht zu toppen ist, oder?

Urban Priol Sowohl seine Transrapid-Rede als auch seine Bären-Rede haben Duftmarken gesetzt. Er wird sich neben Heinrich Lübke einreihen, der in den 60er Jahren, ähnlich wie Horst Köhler heute, ein begnadeter Bundespräsident war und der damals die Menschen begrüßte mit "Guten Tag liebe Menschen, liebe Neger…". Aber inzwischen wachsen ja auch Talente nach. Wenn ich da an letzte Woche denke, als der große Rechner, unser Wirtschaftsminister Michael Glos, zu der Automobil-Krise meinte "In der Automobil-Branche hängt jeder sechste Arbeitsplatz dran, manche sagen sogar, jeder Siebte…" Wer so rechnen kann, ist ein geborener Wirtschaftsexperte. Ich bin nicht bange, dass die Anekdoten irgendwann ausgehen.

CHEXX Nach über 27 Jahren ist "Neues aus der Anstalt" wieder die erste Kabarett-Sendung im ZDF. Das dürfte anfangs großen Druck, erfolgreich zu sein, ausgeübt haben, oder?

Urban Priol Natürlich… vor der ersten Sendung hatten wir alle Muffe. Wenn man nach so langer Zeit erstmals wieder mit einer Kabarett-Sendung an den Start geht, da ist die Erwartungshaltung von außen unwahrscheinlich groß. Diese Erwartungshaltung stelle ich auch an mich selbst, wenn ich abends auf die Bühne gehe und die Leute unten im Publikum sitzen sehe. Dann sage ich mir auch "Das muss heute gut gehen und ich möchte die Menschen jetzt zwei bis drei Stunden unterhalten". Das ist vor der Fernsehsendung natürlich auch so. Zum Glück haben das vor mir auch schon ein paar andere gemacht… obwohl es ja schon etwas Neues war, weil das Konzept von Georg Schramm und mir etwas eigen war. Da war der Druck am Anfang schon enorm hoch.

CHEXX Heißt das, Sie schlafen in der Nacht vor der Live-Sendung sehr schlecht?

Urban Priol Ja, sehr kurz vor allem. Bei der Generalprobe stellen wir oft fest, dass wir hier und da noch etwas zu lang sind, da muss man dann noch kurzfristig etwas kürzen und einige Stellen umschreiben. Man geht also noch mal den Text durch. Aber irgendwann finde ich dann zum Glück auch in den Schlaf.

CHEXX Wie entstehen Ihre Beiträge? Beim Fernsehschauen, am Tresen oder haben Sie sogar Co-Autoren?

Urban Priol Nein. Es gibt zwar eine Redaktion, die uns mit Bildmaterial zuarbeitet, aber der eigentliche Co-Autor ist die Realität. Wir schreiben unsere Soli immer selbst, also Georg seine und ich meine. Die Übergänge texten wir dann gemeinsam. Man trifft sich dann vorher und geht in Klausur. Die Kollegen bringen ihre Texte dann selbst mit, wobei wir auch da gemeinsam an den Übergängen basteln. Es ist ein sehr schönes kooperatives Arbeiten.

CHEXX Wie ist die Zusammenarbeit mit Georg Schramm?

Urban Priol Den Rahmen für die Sendung entwickeln wir zusammen. Daraus speisen sich dann unsere Ideen für die Nummern. Das Schreiben ist dann mit viel Hin- und Herlaufen im Zimmer verbunden. Die Arbeit ist sehr intensiv, weil man auch mal Sachen umstellen muss. Am Tag der Sendung wird dann morgens noch nach aktuellen Sachen gesucht, die wir eventuell noch einarbeiten wollen, und das wird dann auch gemacht.

CHEXX Ist es nicht unglaublich anstrengend, immer aktuell zu sein?

Urban Priol Ja, das ist schon eine Menge Arbeit. Es sind mal Leute auf die Idee gekommen und haben zu mir gesagt "Machen Sie sich doch nicht so viel Arbeit. Lassen Sie doch das Geld für sich arbeiten". Jetzt ist das Geld langzeitarbeitslos und keiner hat mehr was davon… dann doch lieber mit ehrlicher Arbeit an die Sache rangehen.

CHEXX Wer sind Ihre Lieblingspatienten?

Urban Priol Irgendwie geben sie ja alle was her. Aber in den letzten zwei Jahren war George Bush natürlich immer wieder Thema, vor allem durch die vielen Kapriolen, die er gedreht hat. Dann natürlich unsere Kanzlerin! Sie handelt ja immer mehr nach dem Motto "Es gilt das gebrochene Wort". Das aufzudecken und sie einer Behandlung zuzuführen macht schon Spaß. Und der letzte im Bunde ist natürlich unser begnadeter Bundespräsident, der uns ja noch bis Mai begleiten wird, eh er sich dann selbst wieder zu der von ihm ausgerufenen Wiederwahl stellt. Aber auch die SPD als Gesamtpaket kann man eigentlich immer wieder in die Sauna schicken, damit sie ein bisschen was von ihren abstrusen Ideen ausschwitzt. Die Landschaft der Patienten ist unendlich und wir nehmen uns ihnen natürlich sehr gerne an.

CHEXX Gibt es einen Politiker, bei dem Sie persönlich darauf warten, dass er mal eine Schote reißt?

Urban Priol Jaaaaa, bei Ronald Pofalla!! Sein aktueller Kracher ist ja die Behauptung, Atomenergie sei Ökostrom… Er ist Dauergast!

CHEXX Live zu improvisieren ist sicher nicht leicht - da dürfte man doch schon mal durcheinander kommen, oder?

Urban Priol Auf der Bühne ist es einfacher, obwohl da schon etwa 85 Prozent des Programms sitzen müssen. Je nachdem wo man auftritt kann man auch ein paar Ausflüge machen. Ich bin kein Freund davon, einfach auf die Bühne zu gehen und zu hoffen, dass sich dann schon irgendwas entwickelt, denn das geht meistens schief. Schlagfertigkeit ist zwar etwas, das ich sehr bewundere, aber ich glaube nicht, dass man das einen ganzen Abend durchhalten kann. Die Eckpunkte müssen einfach sitzen und nur dann kann man auch Ausflüge machen, was manchmal ja auch wunderbar gelingt. Manchmal fällt einem Zuschauer genau an der richtigen Stelle eine Flasche um. Das ist oft wie beim Tennis, wenn man abschlägt und einen super Return bekommt. Beim Fernsehen ist das alles schon etwas schwieriger. Um mit Sean Connerys Worten zu sprechen: "Disziplin 007, Disziplin". Wenn alle Kollegen anfangen würden auszuufern und sich nicht mehr an die Zeitvorgabe halten, dann bereitet das natürlich Schwierigkeiten, weil wir ja live sind. Es gibt zwar einen gewissen Toleranzrahmen, aber wenn wir vorne zu viel improvisieren, dann müssen wir hinten raus kürzen. Und einen gelernten Text zu kürzen, das ist oft schwierig. Von daher lieber an die Zeit halten.

CHEXX Wie viel Training ist nötig, sich alles zu merken?

Urban Priol Georg und ich haben das große Glück, dass wir beide schnelle Lerner sind. Wir haben schon oft versucht herauszufinden woran das liegt. Ich musste als Kind immer mit dem Zug in die Schule fahren. Auf diesem Weg hatte ich immer etwa 25 Minuten Zeit, mir alles was unangenehm war, also Wortkunde, Latein oder den Satz des Pythagoras, auswendig zu lernen. Das habe ich scheinbar in die Gegenwart gerettet und bin da auch sehr dankbar drum.

CHEXX Wie viele Leute wirken an der Planung und Durchführung der Sendung mit?

Urban Priol Ich weiß nicht, ob ich die Zahl jetzt genau treffe, aber im redaktionellen Apparat arbeiten etwa fünf bis zehn Leute. Dann haben wir Regisseure, Regieassistenten, Cutter, Maskenbetreuer und etwa fünf Leute, die für die Einspieler zuständig sind. Dazu kommen Kameraleute, der Dramaturg auf der Bühne und Aufnahmeleute. Insgesamt arbeitet etwa ein Stab von 50 Leuten an der Sendung mit.

CHEXX Gibt es bestimmte Code-Wörter zwischen Georg Schramm und Ihnen, falls Sie mal einen Hänger haben?

Urban Priol Code-Wörter haben wir bisher nicht, aber das wäre eine gute Idee! Das werde ich Georg mal vorschlagen, dass wir uns da irgendwas einfallen lassen. Oft merkt man es schon am Blick des anderen, wenn derjenige einen Hänger hat. Manchmal entsteht daraus auch etwas Lustiges. Aber man darf es auch nicht tottreten und zu einem Stilmittel machen. Zum Glück haben wir dann beide auch immer den Text des anderen drauf, so dass wir dann einspringen können. Aber Code-Wörter werde ich mir mal überlegen, das ist eine schöne Idee.

CHEXX Thematisiert man einen Hänger in der Show?

Urban Priol Nein, eigentlich nicht, denn sonst hängen wir wieder in der Zeit. Wenn es passiert, passiert es und das kann auch sehr lustig sein, aber man darf es nicht zu sehr thematisieren.

CHEXX Sehen Sie Informationssendungen immer mit der Brille des Kabarettisten?

Urban Priol Anders kann ich es gar nicht mehr. Wenn ich etwas im Fernsehen sehe, dann suche ich sofort nach Stellen, wo sich jemand widerspricht oder irgendeinen Blödsinn erzählt. Ich überlege dann sofort, wie man aus dem größten Mist eine Pointe schmieden kann. Das ist natürlich oft sehr anstrengend, aber es macht auch Spaß. Deshalb habe ich diesen Beruf ja auch ergriffen. Es erfüllt mich eben mit Heiterkeit. Das Virus lässt mich einfach nicht los.

CHEXX Das heißt, Sie schauen am liebsten politische Sendungen und Nachrichten?

Urban Priol Also ich schaue natürlich auch andere Sachen. Aber morgens beginne ich den Tag schon mit dem Morgenmagazin, um das Blut in Wallung zu bringen. Danach habe ich dann meine Grundtemperatur für den Tag. Ich lese Zeitungen quer, telefoniere oder spreche abends am Stammtisch mit Freuden darüber.

CHEXX Wer die politischen Zusammenhänge und Politiker über die Sie sprechen nicht kennt, wird es schwer haben Ihren Sketchen zu folgen, oder?

Urban Priol Kabarett ist schon so eine Art Spiel mit dem Wissenszusammenhang der Zuschauer. Eine gewisse Grundinformation sollte natürlich schon da sein. Ich finde es aber auch ganz nett, wenn jemand hinterher nachfragt und man dann über Zusammenhänge redet. Aber ein gewisses politisches Grundinteresse ist natürlich hilfreich.

CHEXX Machen Sie Kabarett für Gebildete?

Urban Priol Nicht unbedingt. Man bekommt ja oft Analysen zu Gesicht und ich finde es immer wieder erstaunlich, wer alles Kabarett schaut. Es wird oft unterschätzt, wie viele Menschen politisch interessiert sind. Oftmals ist es so, dass Fernsehmacher den einfachen Weg gehen und sagen "So was will das Publikum nicht". Viele Sendungen werden also einfach mit der Begründung abgesetzt, dass das Publikum es nicht sehen will, ohne jemals beim Zuschauer nachgefragt zu haben… Wer uns schauen will ist herzlich willkommen. Wenn ich mir anschaue, wer uns alles schaut, bin ich immer wieder überrascht, finde es aber natürlich toll.

CHEXX Beschweren sich Politiker manchmal über Ihr Kabarett oder möchten gern genannt werden?

Urban Priol Das gibt es schon mal vereinzelt, aber da halte ich mich nicht wirklich dran. Aber richtig böse Briefe gibt es eigentlich nicht. Viele nehmen sich ja so wichtig, dass sie unbedingt erwähnt werden wollen und sind dann beleidigt, wenn wir es nicht tun…

CHEXX Sie folgen immer dem Rat Norbert Blüms: "Wenn du etwas über die Menschen erfahren möchtest, schau immer in die Gesichter. " Was erfährt der Zuschauer über Sie, wenn er Ihnen ins Gesicht schaut?

Urban Priol Am Bildschirm sieht er erstmal denjenigen, der sich grad in der Live-Sendung abstrampelt, möglichst wenig Fehler zu machen. Wer sich dann mit mir unterhält wird schnell merken, dass ich einfach ehrlich bin. Viele sagen oft zu mir "Sie sind ja gar nicht anders als auf der Bühne…". Ich sage dann immer "Ich bin ich, auf der Bühne und auch sonst".

CHEXX Was verraten Ihnen die Gesichter Angela Merkels und Barack Obamas?

Urban Priol Bei Barack Obama erstaunen mich seine Natürlichkeit und Leichtigkeit. So was ist man ja von einem Politiker schon gar nicht mehr gewohnt. Bei ihm passt einfach alles: Stimme, Auftreten, Pathos. Bei Angela Merkel ist mir einfach alles zu sphinxhaft. Bei ihr wäre ich immer vorsichtig. Sie lässt sich nicht in die Karten gucken, weil sie meistens wohl auch keine hat. Bei ihr würde es mich freuen, wenn mal etwas Konkretes aus ihrem Mund purzeln würde. Sie sollte mal Stellung beziehen und etwas mehr Temperament zeigen!

CHEXX Was sagen Sie zum neuen US-Präsidenten Barack Obama?

Urban Priol Gut, nach acht Jahren Bush hätte man ja im Prinzip auch einen Hydranten hinstellen können und jeder wäre froh gewesen. Ich finde es spannend, wie sehr eine einzige Person das Interesse für Politik wiedererwecken kann, gerade bei jungen Leuten. Ich finde ihn toll. Viele fragen sich ja "Wann kommt denn jetzt endlich auch bei uns so ein Obama…?!" Aber wir haben eben Westerwelle und Co…!

CHEXX In den letzten 25 Jahren Ihres Bühnendaseins ist die politische Situation immer globaler geworden. Macht es das leichter oder schwerer für Ihr politisches Kabarett?

Urban Priol Das macht es spannender, weil die Leute sich mehr damit beschäftigen. Ich fühle mich ja schon immer als Europäer, auch weil ich in England studiert habe, sehr gerne in Frankreich bin und viel mit Italien zu tun habe. Das alles noch mit einzuweben macht mir großen Spaß. Man muss sich nicht immer zwischen Kiel und Passau bewegen und kann es thematisch auch auf Südafrika, Amerika und England ausweiten. Das macht alles viel facettenreicher und das finde ich toll.

CHEXX Kennen Sie alle wichtigen Politiker?

Urban Priol Also den Präsidenten von Litauen müsste ich wohl auch erstmal bei Google suchen, aber alle diejenigen, die wichtige Aussagen treffen kenne ich schon.

CHEXX Das heißt, Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht?

Urban Priol Ja, das ist mit der Zeit gewachsen. Ich wurde oft gefragt, was ich machen würde, wenn nicht Kabarett. Ich antworte dann immer: Taxi fahren, weil mich Autos sehr interessieren.

CHEXX Geben Sie uns bitte ein kurzes Statement zur Finanzkrise.

Urban Priol Ich bewundere es, dass Frau Merkel den Topbänkern gerade die Brüste auf die Pistolen setzt und sie anfleht, etwas von dem Geld zu nehmen, das ihr nicht gehört. Das finde ich doch sehr beachtlich, dass man Banken anflehen muss, eine halbe Billion anzunehmen. Vergessen wir auch nicht die 50 Milliarden für die Autoindustrie…scheinbar haben wir ja genug. Anstatt dass mal jemand gewisse Spekulationen verbietet… aber soweit geht die Liebe zum globalen Kapital dann wohl doch nicht.

CHEXX Andrea Ypsilanti ist erst kürzlich gescheitert. Sie hätte Ihnen doch sicherlich eine Menge Stoff für Ihre Sendungen geboten, oder?

Urban Priol Ja, sicher. Auf der anderen Seite ist die Hessen-SPD generell immer gut für neuen Stoff. Jetzt kommt ja Roland Koch wieder und darüber dürfen wir uns ja auch nicht beschweren. Er hat über die Jahre ja auch einen Klops und Kracher nach dem anderen gebracht und nun bleibt er uns ja noch einige Jahre erhalten. Wenn die Hessen ihn wählen, dann sollen die ihn auch haben. Ein Stoffgeber ersetzt eine Stoffgeberin.

CHEXX Was halten Sie von Frauen wie Andrea Ypsilati und Sarah Palin in der Politik?

Urban Priol Eben so viel wie von Angela Merkel.

CHEXX Sie verfahren immer nach dem Motto "Auf alles drauf hauen". Wo sehen Sie für sich thematische Grenzen?

Urban Priol Das muss man von Fall zu Fall entscheiden. Sicherlich gibt es etwas, worüber man nicht reden möchte und das mache ich dann auch nicht. Da wo ich mich unwohl fühle, lasse ich es einfach. Generell halte ich es aber wie Tucholsky und sage: "Es gibt keine Tabus". Aus Angst vor einem Nicht-Lacher würde ich niemals sagen "Das bringe ich jetzt lieber nicht".

CHEXX Gab es schon mal eine Szene in Ihrem Bühnenprogramm, die Sie selbst unübertroffen komisch fanden, doch das Publikum hat nicht gelacht?

Urban Priol Ja, das gibt es immer mal. Da ich gerne ins Kino gehe, bringe ich oft kleine Mini-Sachen daraus, wo ich mich wegschmeißen könnte. Aber man merkt dann doch schnell, wenn nicht genug Leute den Film gesehen haben… und so nach dem fünften oder sechsten Versuch lasse ich es dann…

CHEXX Sie haben mal gesagt: "Man muss die eigenen Schwächen kennen, um die anderen beurteilen zu können". Welche Schwächen haben Sie?

Urban Priol Ich kann furchtbar schwer nein sagen, was mich schon oft in abenteuerliche Situationen gebracht hat. Zudem neige ich dazu, alles dringend zu Erledigende bis zur letzten Millisekunde vor Ablauf eines Termins zu schieben. Das habe ich schon in der Schule so gemacht. Dann bin ich manchmal etwas sprunghaft und unpünktlich. Wenn es mir irgendwo gefällt, dann sage ich mir oft "Eigentlich müsstest du jetzt ja noch… aber nöööö". Und schon sind wir wieder beim Ausgangspunkt, dass ich alles bis zum letzten Drücker schiebe.

CHEXX Gibt es einen Kabarettisten-Stammtisch, oder wie könnte er aussehen?

Urban Priol Wo ich mich immer sehr wohl fühle ist Otti’s Schlachthof. Da trifft man dann auch Kollegen endlich mal wieder. Und wo mehrere Kollegen zusammenkommen, da findet sich dann irgendwann auch ein Stammtisch. Aber es ist nicht so, dass wir uns einmal im Monat irgendwo treffen, denn dafür sind wir einfach zu viel in der ganzen Republik unterwegs. Umso schöner ist es dann, wenn man mal einen Abend gemeinsam ausklingen lassen kann.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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