The Show must go on

Mit der IFA-Messe zieht der Zeitgeist in Berlin ein.

IFA, Foto von ESDES.Pictures
IFA, Foto von ESDES.Pictures

Nach drei Jahren verordneter Pause durch die Covid-Pandemie-Maßnahmen ist die internationale Funkausstellung (IFA) in die Messehallen Berlin Charlottenburg zurückgekehrt. Die Hauptstadt Berlin will sich als wichtiger Standort für Wirtschaft und Forschung und auch als ein Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt gern mit der Ausstellung IFA schmücken. Schließlich kann Berlin als Messestadt auf eine 200 Jahre lange Tradition zurückblicken und auf Zeiten, als auf Ausstellungen unter dem Funkturm deutsche Erfinder und Ingenieure mit ihrer Technik die Weltspitze bestimmten.

IFA - weltweit wichtige Plattform

Auf zwei Eröffnungs-Pressekonferenzen machten sich die Veranstalter gehörig Mut. Denn es gab sicher schon günstigere Zeiten für einen erneuten Einstieg ins Messegeschäft mit sich schnell wandelnden globalen Märkten. Bei Dr. Sara Warneke, der Geschäftsführerin der gfu Consumer & Home Eletronics GmbH und Veranstalterin der IFA, klingt das Mut machen dann so: "Das Jahr 2022 ist ein Jahr voller Herausforderungen, von denen viele miteinander verknüpft sind. Trotz der Umsatzrückgänge und der negativen Einflüsse gibt es Chancen für positive Entwicklungen in unseren Branchen. Wir sind überzeugt, dass die IFA ihrer Rolle als weltweit wichtigste Plattform für Consumer Electronics und Home Appliances wieder gerecht wird und mit ihrem überzeugenden Mix ein nachhaltiger Wachstums- und Innovationstreiber ist."

Zunächst ist zu konstatieren, dass die IFA im Vergleich zu 2019 mit einer um ein Fünftel reduzierten Ausstellungsfläche antreten muss, große Unternehmen und frühere Aussteller wie Telekom oder Philips nicht antreten und Pandemie-bedingt auch die Vertreter Asiens nicht so zahlreich vertreten sind. Auch bei der Ausstellerbeteiligung bleiben die IFA Manager mit Zahlenangaben von "mehr als tausend" recht schmallippig. Es sollen jetzt insgesamt 1.100 Aussteller aus 46 Ländern den Weg nach Berlin gefunden haben. Zu allem Überfluss ist Wochen vor der Messe noch die Nachricht in die Öffentlichkeit gelangt, dass zwar 2023 eine weitere IFA vorgesehen ist. Aber die Weiterführung der Messe im darauffolgenden Jahr wird noch verhandelt und ist immer noch nicht entschieden.

Neuheiten vom Zeitgeist

Für das große internationale Fachpublikum und für die unzähligen Nerds und IT-Fans in Deutschland gibt es ein klares Ziel: Zur IFA - da muss ich hin. Die Messe ist für dieses Publikum ausgelegt. Alle Ticketschalter wurden eingespart, die Eintrittskarten sind nur online zu erwerben. Das muss dann der nicht so geübte Familienvater seinen Sprösslingen überlassen. Die werden ihm sagen, online kaufen ist preiswerter. Ansonsten sind die IT-Neuheiten, ihre Vernetzung und auch das Rahmenprogramm total vom Zeitgeist beherrscht. Und der spricht zumeist die englische Sprache.

Wie schon in der Vorgänger IFA spielt auf der Messe das Vernetzen von Geräten und Anwendungen weiter eine große Rolle, ebenso wie Effizienz und Nachhaltigkeit. Zunehmend ziehen aber auch Robotik und Künstliche Intelligenz ins digitale zuhause ein - mit dem Potenzial, Alltagstechnologie erneut zu revolutionieren.

Mit HipHop saugen und wischen für Bosch

Für die Sparte Haushaltstechnik im digitalen zuhause gibt es dabei ein großes und brandaktuelles Thema: Die Einsparung von Energie. Das führte das Unternehmen Bosch sehr eindrucksvoll in einer originellen Präsentation vor. Die PR-Leute kreierten einen Tagesablauf, der vom Aufstehen und Frühstück bis zum für Gäste kochen und Abendessen die neuesten Entwicklungen von Bosch-Geräten präsentiert. Der große Wurf scheint ihnen dabei mit der Idee gelungen zu sein, ihren Kult-Song aus der Werbung "Like A Bosch" mit der Prominenz und der Kreativität der bekannten deutschen HipHop Gruppe aus Stuttgart "Die Fantastischen Vier" aufzupeppen. Die Musiker produzierten sogar ein Musik-Video im März in Südafrika, das nun zur diesjährigen Funkausstellung Premiere hatte. Dass eine solche Kooperation zwischen Marke und Künstlern, die für Bosch saugen, wischen und am Kochtopf stehen, tatsächlich funktioniert, davon kann sich jeder bei YouTube überzeugen. Ein Grund liegt wohl darin, wie die Künstler in einer Gesprächsrunde in der Bosch-Messehalle verraten haben, dass die Bosse vom Unternehmen den Künstlern bei der Umsetzung viel freie Hand gelassen haben.

RBB stellt sich der Diskussion

In der Halle 2.2. ist traditionell die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland vertreten und wirbt am Eingang zu einzelnen Stationen mit dem kurzen Spruch: "Wir sind Deins - ARD" und zählt seine neun Sendeanstalten auf vom BR bis zum WDR. Hier stellt sich auch der RBB der Diskussion mit Besuchern. Kollegen der Rundfunkanstalt versuchen, das öffentlich gewordene Unerklärliche der zurückgetretenen Intendantin Patricia Schlesinger mit hauseigenen Investigativ-Journalisten zu klären. Gleich am ersten Messetag wird Nina Siegers, Redaktionsleiterin RBB Inforadio 24, dazu vom rbb-Reporter Tim Koschwitz interviewt. Dieser Anspruch des Teams der Rundfunkanstalt, sich den Besuchern und Gebührenzahlern zur Diskussion zu stellen, ist anzuerkennen. Warum aber die Investigativ-Journalisten vom rbb kommen und nicht von außerhalb des Hauses oder wenigstens aus anderen ARD-Anstalten geholt werden, auf diese Frage scheint es noch keine plausible Antwort zu geben. Der Hinweis, dass der Medienskandal um den Journalisten Claas Relotius, auch von der Redaktion des "Spiegel" erfolgreich aufgedeckt und beigelegt worden sei, entspricht eher dem Wunschdenken als der Realität. Die Besucher und monatlich unfreiwilligen Bezahler bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) könnten den PR-Slogan der ARD "Wir sind Deins" beim Wort nehmen und wie in Frankreich und England am Geldhahn für die ARD drehen.

Bunter Markt von Novitäten

Traditionell ist die IFA ein bunter Marktplatz von Novitäten aller Art. Wer noch meint, er findet hier vorwiegend einen Sammelplatz von Flachbildschirmen und Unmassen von Mobiltelefonen samt Zubehör, der wird angenehm enttäuscht. Wie bunt und vielfältig die smarte IT-Welt sein kann, ist in allen Hallen immer wieder zu entdecken. Für viele sind auch die Alltagsanwendungen überraschend, wie eine green box aus Berlin, den schönsten smarten indoor-Garten oder aus Italien ein Vertikales Farmsystem. Und dann stößt der Besucher auf "heated clothing", vor allem Handschuhe, die mit Minibatterien skaliert erwärmt werden können. Eine Erfindung für den nächsten kalten deutschen Winter im Wohnzimmer? In der nächsten Halle sind laute Schläge zu hören. Ein Aussteller für Panzerglas für Handys schlägt mit einem Hammer immer wieder auf das Glas und es hat keinen Kratzer. Die Zuschauerrunde ist verblüfft. Dann wieder wartet eine Weltneuheit aus Los Angeles. Es sind die ersten Headphones, die schnurlos durch Sonnenergie aufgeladen werden. Ebenfalls zukunftsweisend: der Kitewinder aus Frankreich - eine Mini-Windanlage to go, die keine fünf Kilogramm wiegt, in jeden Rucksack passt und nach dem Zusammenbauen wie ein Drachen aufsteigt und Windkraft einsammelt.

IFA - Leuchtturm für Berlin

Und schließlich war und ist die IFA seit jeher nicht nur Marktplatz, sondern auch Vorlesungssaal und Vortragsmeeting. Die Gäste sind nicht allein Hersteller und Vertreiber von Haushalts- und Elektronikwaren, sondern Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Da gehen dann auch Präsident des DIW, Prof. Marcel Fratzscher, der Philosoph Peter Sloterdijk, der ehemalige Minister Jürgen Trittin und der international bekannte ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis an den Start.

Am ersten Tag der IFA 2022 schwebte Bürgermeisterin Franziska Giffey in einem Schwarm von Fachleuten und Journalisten durch die Messehallen. In der großen internationalen englischsprachigen IFA-Zeitschrift haben ihre Redenschreiber für ihren einseitigen Beitrag die Überschrift gewählt: "Mayor of Berlin hails IFA 2022 as a beacon for the City" (Berliner Bürgermeister begrüßt die IFA 2022 als Leuchtturm für die Stadt). Begrüßen allein reicht aber nicht, auch der Berliner Senat steht in große Verantwortung, damit der Leuchtturm auch 2024 und den kommenden Jahren weiter strahlt.

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