Der gewählte Titel der neuen Ausstellung im Museum Barberini "Moderne Blicke" ist Programm. Gezeigt wird ein neuer Blick auf den berühmten italienischen Künstler Amedeo Modigliani. "Was uns ganz wichtig ist, den Super-Künstler in seinem Kontext zu zeigen und dann entstand sehr früh die Idee, europäische Künstler an seine Seite zu stellen", so die Direktorin vom Barberini-Museum Ortrud Westheider auf der Pressekonferenz zur Eröffnung der Ausstellung. In enger Zusammenarbeit mit der Staatsgalerie in Stuttgart und deren Direktorin Christiane Lange brauchte es über viele Jahre einen langen Atem, um erstmals nach 15 Jahren wieder eine Modigliani-Sammlung in Deutschland präsentieren zu können. Ortrud Westheider und Christiane Lange sind auch zugleich die Kuratorinnen der Ausstellung. Ortrud Westheider verwies darauf, dass das Oeuvre des Künstlers Modigliani sehr schmal ist, da er bereits mit 35 Jahren an Tuberkulose starb und alle seine Bilder zwischen 1906 und 1919 entstanden. Schon allein die Zahl von insgesamt 48 (!) leihgebenden Institutionen verdeutlicht, wieviel Aufwand für die Konzipierung dieser Ausstellung betrieben werden musste. Zudem befinden sich nur wenige Werke Modiglianis in deutschen Sammlungen. Die insgesamt in der Ausstellung präsentierten 89 Werke - 44 Gemälde, 42 Grafiken und drei Skulpturen - stammen unter anderem aus Museen in Wien, Paris, London und New York sowie von einer großen Zahl privater Sammler aus aller Welt.
Amedeo Modigliani, aufgewachsen in einem jüdisch liberalen, französisch-italienischen Elternhaus, wird mit seinen Werken als ein Chronist der Femme Moderne präsentiert, eines erstarkenden weiblichen Selbstbewusstseins in den Jahren vor und während des Ersten Weltkrieges. In seinen Frauen-Porträts zeigt Modigliani emanzipierte Frauen mit kurzgeschnittener Frisur und männlicher Bekleidung, schon Jahre bevor die neue Sachlichkeit in den 20er Jahren ihren Einzug hielt. Auch die Nacktheit in seinen Aktgemälden zeugt von Unabhängigkeit und Souveränität der Frauen. Modigliani erhielt seine künstlerische Ausbildung seit dem vierzehnten Lebensjahr in Livorno und erlernte später auch in Florenz und Venedig das traditionelle Aktzeichnen. 1906 siedelte er nach Paris um, das sich zum Zentrum der avantgardistischen Malerei entwickelt hatte. Unter dem Einfluss der Moderne befreite er sich von den konventionellen traditionellen Vorgaben. "Mit unserer Ausstellung ‚Moderne Blicke‘ zeigen wir, dass der Maler seine Modelle nicht zu Objekten degradiert, sondern im Gegenteil in einem von Gleichberechtigung geprägten Verhältnis zu ihnen stand", so das Urteil der Kuratorin Ortrud Westheider.
Die Ausstellung demonstriert anschaulich die künstlerische Entwicklung des Malers in seiner ganzen Vielfalt, Porträts, Aktzeichnungen, die Bildnisse seines Freundeskreises von Montmartre und Montparnasse mit Freundinnen, Galeristen und natürlich Künstlerkollegen wie Pablo Picasso. Insgesamt 15 Künstlerinnen und Künstler aus dieser Zeit sind auch mit ihren Werken in Potsdam zu bewundern. Zu dem künstlerischen Lebensweg von Modigliani gehört auch, dass die bei seiner ersten und einzigen Einzelausstellung 1917 in Paris gezeigten Aktgemälde einen Skandal auslösten. Interessant und anregend für den Besucher ist diese Modigliani Ausstellung außerdem, weil sich der Blick über Paris hinaus auf die Kunstentwicklung in Europa richtet. Und da werden dann 33 Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen unter anderem von Paula Moderson-Becker, Gustav Klimt, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso und Henri de Toulouse-Lautrec gezeigt, die für die damalige junge Künstlergeneration in Europa stehen.
Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoß mit der Ankunft von Modigliani in Paris. Geradezu dokumentarisch werden auf einer großformativen Stadtkarte von Paris die insgesamt 25 Quartiere und Ateliers des jungen und sehr attraktiv aussehenden Künstlers ebenfalls mit Fotos ausgestellt. Dazu zählt auch ein Haus in Montmartre, das der Arzt Paul Alexandre, der auch Modiglianis erster Sammler wurde, befreundeten Künstlern zur Verfügung stellte und das bald auch zu einem Ausstellungsplatz für Modiglianis Gemälde wurde. Im ersten Obergeschoß wird die Ausstellung fortgesetzt mit seinem letzten Jahr in Nizza. Hier erlebt der Besucher in den Motiven des Malers einen anderen Blick und andere Farben.
Direktorin Westheider ließ es sich nicht nehmen, am Schluss der Pressekonferenz auf zwei Neuerwerbungen des Museums Barberini hinzuweisen: Claude Monets "Die Mühle von Limetz" und Camille Pissarros "Der Louvre, Morgen Frühling". Die beiden Werke werden die Sammlung Hasso Plattner Collection mit 113 Meisterwerken impressionistischer und postimpressionistischer Malerei von 23 Künstlern vervollständigen. Das Potsdamer Haus Barberini ist damit weltweit eine erste Adresse für französische Impressionisten. Das Belegen auch die Aktionen, die im Museum Barberini im Jahr 2024 anlässlich des Jubiläums "150 Jahre Impressionismus" stattfinden. Dazu zählen ein großes Symposium am 15. und 16. Mai unter dem Titel "Impressionismus heute -Ausstellen-Forschen-Untersuchen" und am 22. Mai eine Camille Pissarro-Retrospektive. Außerdem werden weitere Themenführungen, Workshops, Lesungen und Digitalprojekte veranstaltet. Die Werke des italienischen Malers Modigliani und einiger seiner Künstlerfreunde und Wegbegleiter aus seiner Pariser Zeit haben mit dem Potsdamer Barberini-Museum, einem der hochkarätigen Impressionismus-Tempel in Europa, einen würdigen Platz gefunden.
Die Ausstellung "Modigliani. Moderne Blicke" wird im Museum Barberini in Potsdam vom 27. April bis zum 18. August 2024 gezeigt.