CHEXX Allein in Deutschland wurden innerhalb von zehn Jahren fast 30 Millionen Tiere im sogenannten "Tierversuch" getötet. Gibt es Hinweise, dass sich das ändern könnte?
Ärzte gegen Tierversuche Leider bleiben die Tierversuchszahlen seit Anfang der 2000er weitgehend konstant und man kann keinen Abwärtstrend beobachten. Dabei wird im Zusammenhang mit Tierversuchen immer damit geworben, dass diese im Sinne des 3R-Prinzips durchgeführt werden. 3R steht für Reduktion (Reduce), Ersatz (Replace) und Verfeinerung (Refinement) von Tierversuchen. Würde das Prinzip (welches sogar seit 2010 in der EU-Tierversuchsrichtlinie verankert ist) funktionieren, müsste man aber einen deutlichen Rückgang der Tierversuchszahlen feststellen können. Die Gründe für das Scheitern des 3R-Konzepts sind vielfältig, unter anderem verstecken sich leider viele Forscher hinter dem dritten R, das für Refine steht, also die "Verbesserung" von Tierversuchen bzw. Haltungsbedingungen. Wenn man die Käfige von "Versuchstieren" um ein paar Quadratzentimeter vergrößert oder mit zusätzlichem Beschäftigungsmaterial ausstattet, trägt das aber nicht ansatzweise zur Lösung des Problems bei, dennoch werden derartige Maßnahmen als Beitrag zum Tierschutz anerkannt.
Hinzu kommt, dass obwohl es inzwischen immer mehr und immer bessere tierversuchsfreie Methoden gibt, diese oftmals zusätzlich zum Tierversuch eingesetzt werden und nicht anstelle dessen. Wenn eine Studie beispielsweise nur an menschlichen Gewebemodellen erfolgte und aussagekräftige Ergebnisse hervorbrachte, pochen manche Wissenschaftler oder Fachzeitschriften darauf, diese zusätzlich am Tiermodell nachzuvollziehen, ansonsten werden die Resultate nicht ernst genommen oder die Studie wird teilweise von Journalen abgelehnt. Damit die Zahl der in Tierversuchen verwendetetn Tiere abnimmt, ist zum einen ein Umdenken im Wissenschaftssektor erforderlich und zum anderen brauchen wir von politischer Seite wesentlich strengere Vorgaben und einen handfesten Ausstiegsplan aus dem Tierversuch. Dafür setzen wir uns auch mit der Kampagne "Ausstieg aus dem Tierversuch. Jetzt!" ein.
CHEXX Der "Tierversuch" scheint ein lukratives Geschäft zu sein, denn für tierversuchsfreie Forschung werden nicht einmal 20 Millionen Euro, für die mit Tierquälerei verbundene jedoch mindestens 4,4 Milliarden Euro bereitgestellt. Wer verdient am Leid der Tiere?
Ärzte gegen Tierversuche Hinter den Tierversuchen steht eine große Industrie und eine wirkungsvolle Lobby. Züchter, Händler, Futterlieferanten, Hersteller von Käfigen und Zubehör, Wissenschaftler, Institute usw. - sie alle verdienen am Tierversuch. Wenn man sich anschaut, dass Firmen und Institute versuchen Patente auf gentechnisch veränderte Versuchstiere zu bekommen, wird einem deutlich, dass keine wissenschaftlichen, sondern besonders wirtschaftliche Interessen hinter den Versuchen stehen. 2018 wurden beispielsweise rund eine Million genetisch veränderte Tiere in Tierversuchen eingesetzt, weit überwiegend Mäuse. Der höchste uns bekannte Preis für eine gentechnisch veränderte Maus liegt bei 100.000 US-Dollar (entspricht aktuell über 84.000 Euro). Das ist sicher ein Ausreißerwert, aber vierstellige Beträge sind durchaus üblich. Die Kosten für den Bau von Tierversuchslaboren liegen häufig bei ein- bis zweistelligen Millionenbeträgen. Momentan werden z. B. in Hamburg für 31 Millionen ein Gebäude für Versuchstierkunde und in Freiburg für 57 Millionen ein Institut für Krankheitsmodelle und gezielte Therapie gebaut.
CHEXX Was für "Tierversuche" werden durchgeführt?
Ärzte gegen Tierversuche Tierversuche werden in vielen verschiedenen Bereichen durchgeführt. Der Hauptteil der Tierversuche fällt aber unter die Grundlagenforschung sämtlicher naturwissenschaftlicher Disziplinen. Grundlagenforschung muss laut Definition keinen direkten Anwendungsbezug haben. Sie ist eher als Wissenszuwachs zu sehen. Gerade in diesem Bereich werden völlig absurde Versuche genehmigt, deren Nutzen für den wissenschaftlichen Fortschritt leider meist absolut nicht verständlich ist. So werden z. B. Mäuse mit sogenannten Rückenhautkammern ausgestattet: zwei Metallrahmen, zwischen die die Rückenhaut der Maus extrem stark aufgespannt und wie bei einem Sandwich eingeklemmt wird. In die gespannte Haut wird auf einer Hautseite ein Loch gestanzt. In dieses "Bullauge" werden kleine Stücke Lungenwebe anderer Mäuse eingepflanzt. Mit dieser Methode soll die Entstehung von kleinen Blutgefäßen in Lungengewebe im lebenden Tier beobachtet werden können.
Um den Heilungsprozess nach Nervenverletzungen bei Patienten besser verstehen zu können, wird der Ischiasnerv von Axolotl (eine Lurchart) durchgeschnitten und das Nachwachsen analysiert. Oder Mäuse müssen drei Wochen lang an fünf Tagen die Woche den Rauch von bis zu acht Zigaretten einatmen. Anschließend wird bei ihnen - nun narkotisiert - ein Blutungsschock und eine Lungenquetschung ausgelöst, mit dem banalen Ergebnis, dass sich Rauchen negativ bei schweren Traumata auswirkt. Viele Tierversuche finden zur Erforschung von Erkrankungen von Menschen und Tieren statt, sowie zur Entwicklung und Überprüfung von Arzneimitteln oder zur Herstellung und Qualitätskontrolle anderer medizinischer Produkte. Das Nervengift Botulinumtoxin - besser bekannt unter dem Markennamen Botox - wird für medizinische Zwecke, überwiegend aber zum vorübergehenden Wegspritzen von Falten verwendet. Jede einzelne Produktionseinheit wird trotz vorhandener tierversuchsfreier Methoden - häufig noch in einem qualvollen Mäusetest getestet, bevor sie in den Verkauf geht. Dabei wird die Substanz Mäusen in die Bauchhöhle gespritzt, was zu Muskellähmungen und Atemnot führt, bis die Tiere schließlich bei vollem Bewusstsein ersticken. Zusätzlich werden Tierversuche im Rahmen von toxikologischen Tests verschiedenster alltäglicher Substanzen, wie beispielsweise Farben oder Industriechemikalien durchgeführt. Hier bekommen die Tiere die Testsubstanz in verschiedenen Konzentrationen über eine Sonde in den Magen eingeflößt, gespritzt oder auf die Haut aufgetragen. Anschließend werden sie auf Vergiftungserscheinungen hin beobachtet. Auch zu Aus- und Weiterbildungszwecken werden Tiere verwendet, beispielsweise finden Operationsübungen am Schwein in der Ausbildung von Humanmedizinern statt. Weitere Bereiche sind unter anderem Umwelt- und Artenschutz, Gerichtsmedizin oder Bundeswehr.
CHEXX Welche Tiere werden dafür missbraucht?
Ärzte gegen Tierversuche Fast jede denkbare Tierart ist schon Tierversuchen zum Opfer gefallen. Die meisten Versuche werden an Mäusen und Ratten gemacht. Der Grund für die Verwendung von Nagetieren: Sie sind handlich, zäh, billig und aufgrund ihrer schnellen Generationsfolge leicht in Massen zu züchten. Außerdem regt sich gegen Versuche mit Mäusen und Ratten vergleichsweise wenig öffentlicher Widerstand, denn nicht jeder weiß, dass sie ebenso leidensfähig sind wie andere Tiere. Daneben werden in den Laboratorien unter anderem Fische, Katzen, Hunde, Kaninchen und Affen eingesetzt. Es finden auch Versuche an exotischen Tieren statt, wie zum Beispiel an Fledermäusen oder Nacktmullen.
CHEXX Wo werden Tiere missbraucht und wer ist verantwortlich?
Ärzte gegen Tierversuche Wie schon angesprochen finden Tierversuche in vielen unterschiedlichen Bereichen statt, daher finden sich auch an sehr vielen Orten Tierversuchslabore. Erwähnenswert ist, dass Informationen darüber, wo genau welche und wie viele Versuche stattfinden, nicht öffentlich zugänglich sind, und das obwohl die Mehrheit mit unseren Steuergeldern finanziert werden. Auf unserer Website haben wir die deutschen Tierversuchshochburgen aufgelistet und dort findet man auch eine lange Liste an Tierversuchslaboren. Leider kommen immer noch neue Labore hinzu, so wie es zum Beispiel gerade in Augsburg geplant ist. Mit einer aktuellen Kampagne wollen wir dieses Vorhaben stoppen.
Die Frage der Verantwortlichkeit ist schwierig und lässt sich nicht so einfach klären. Grundlage der Problematik ist sicher zu einem großen Teil die Gesetzgebung. Tierversuche dürfen laut Tierschutzgesetz zwar nur durchgeführt werden, wenn sie "ethisch vertretbar", "unerlässlich" sind und der Versuchszweck nicht auch mit tierversuchsfreien Methoden erreicht werden kann. Doch leider bietet das Tierschutzgesetz keinen ausreichenden Schutz für Versuchstiere. So ist die Genehmigung von Tierversuchsanträgen reine Formsache, insofern der Antrag formal korrekt gestellt wurde. Hinzu kommt, dass die Bezeichnung "Grundlagenforschung" extrem dehnbar ist, da als Begründung für den geplanten Tierversuch bereits irgendein in ferner Zukunft liegender, möglicher Nutzen für den Menschen ausreicht. Kurzum, auch wenn ein Experiment einer noch so realitätsfernen Befriedigung wissenschaftlicher Neugier oder persönlicher Profilierungssucht dient, kann es als Beitrag zur Grundlagenforschung gekennzeichnet werden. Irgendeinen in ferner Zukunft liegenden, möglichen Nutzen für den Menschen anzugeben fällt nicht schwer, denn diese Behauptung ist nicht nachprüfbar. Auch die Frage nach dem Vorhandensein von tierversuchsfreien Methoden lässt sich für den Experimentator leicht verneinen, denn nachzuweisen, dass es für genau die gewünschte Fragestellung andere Verfahren gibt, überfordert so manche Kommission und Genehmigungsbehörde aufgrund mangelnder Fachkenntnis. Insofern ist die Beantragung eines Tierversuchs ein rein bürokratischer Akt, bei dem das Leid der Tiere in der Regel kaum berücksichtigt wird und vage Aussagen des Experimentators über den möglichen Nutzen ausreichen, um Versuche jedweder Art durchführen zu können. Aufgrund dieser Problematik ist es nicht verwunderlich, dass die Ablehnungsquote für tierexperimentelle Versuchsvorhaben bundesweit durchschnittlich bei unter 1 % liegt.
Des Weiteren gibt es eine Menge rechtliche Vorgaben, wie beispielsweise die Chemikalien-Verordnung und das Arzneimittelgesetz, in denen Tierversuche vorgeschrieben sind. Im Bereich der Arzneimittelforschung dienen Tierversuche der Absicherung. Der Hersteller ist nicht haftbar, wenn die getestete Substanz aufgrund des Tierversuchs als unbedenklich galt, später dann aber in der klinischen Testung am Menschen zu Nebenwirkungen führt. Einen großen Einfluss wird auch das heutige Forschungssystem haben. Der Erfolg von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird heutzutage daran gemessen, wie viele Publikationen in Fachzeitschriften mit möglichst hohem "Impact-Faktor" sie haben und wie oft sie zitiert werden. Die hochrangigsten Journale publizieren jedoch vor allem Studien mit Tierversuchen, was auf der einen Seite den Forschern und Forscherinnen suggeriert, dass relevante Forschung nur mit Tierversuchen möglich ist und auf der anderen Seite dazu führt, dass die tierversuchsfreien Methoden in der Wissenschaft noch immer wenig bekannt sind. Als Neuling im Wissenschaftssektor wächst man in dieses System rein, die ersten Tierversuche finden meistens schon im Studium statt und man lernt, dass es normal und sogar der "Goldstandard" ist.
Dagegen haben es tierversuchsfreie Alternativen sehr schwer. Bevor eine tierversuchsfreie Methode behördlich anerkannt wird, müssen deren Ergebnisse vorher validiert werden, was bedeutet, dass Ergebnisse dieser Methode mit denen des entsprechenden Tierversuchs übereinstimmen müssen. Dieser Prozess kann gerne zehn bis 15 Jahre dauern. Völlig absurd ist dabei, dass Tierversuche nie in irgendeiner Form validiert wurden und moderne Verfahren somit mit einer veralteten und fraglichen Methode verglichen werden. Außerdem hängt, wie schon erwähnt, eine riesige Industrie an all den Tierversuchen, die daran verdient.
CHEXX Alle warten auf ein Gegenmittel für Covid-19. Welche Rolle spielen hierbei Tierversuche?
Ärzte gegen Tierversuche Die Forschung nach wirksamen Medikamenten und nach einem Impfstoff, der uns endlich wieder den "Vor-Corona-Zeiten-Alltag" zurückbringt, läuft mit voller Kraft. Was dahinter steht sind aber tatsächlich immens viele Tierversuche, z. B. an Hühnern, Affen oder Frettchen. Auch an Mäusen wird getestet, obwohl sie natürlicherweise keine Symptome durch COVID-19 entwickeln. Um aber einige der menschlichen Symptome nachzuahmen, werden in ihr Erbgut gentechnisch menschliche Gene eingefügt Es entstehen sogenannte "humanisierte Mäuse". Aus genetischer Sicht ist das aber unsinnig, weil es mehrere tausend komplexe, vielfältige Unterschiede in den Genen, deren Regulation und in den entstandenen Genprodukten zwischen Maus und Menschen gibt. Die künstliche Veränderung von wenigen Genen kann deshalb keinesfalls Mäuse in kleine Stellvertreter der menschlichen Patienten umwandeln, was der Name "humanisierte Mäuse" suggeriert.
Auch andere Tierarten sind nicht oder kaum empfänglich für das Virus. Denn SARS-CoV-2 ist hochspezialisiert auf seinen Wirt - den Menschen. Trotzdem versucht man ein "geeignetes Tiermodell" zu finden, obwohl damit nie zuverlässig die Vorgänge im menschlichen Körper widergespiegelt werden können. Daher dauert der Weg bis zu einem Impfstoff meistens mindestens zehn Jahre. Man entwickelt etliche Impfstoffe, die beim Tier funktionieren, doch beim Menschen versagen. Aber nicht nur Zeit wird verschwendet, sondern auch Unmengen an Fördergeldern. Der Weg zu humanrelevanten Erkenntnissen und Medikamenten wird durch die Methode der Tierversuche aufgehalten. Natürlich ist auch die direkte Testung am Menschen, die aufgrund der Dringlichkeit Medikamente bzw. Impfstoffe gegen das Virus zu entwickeln, teilweise durchgeführt wurde bzw. wird, keine Lösung. Denn diese Vorgehensweise birgt einige Gefahren und Risiken für die Testpersonen. Deshalb brauchen wir zuverlässige und vor allem humanbasierte In-vitro-Verfahren, die übertragbar und daher sicherer als Testungen an "Tiermodellen" sind.
Mehrere tierversuchsfreie Alternativmethoden haben sich bereits bewiesen oder zeigen großes Potenzial. Beispiele hierfür sind dreidimensionale Lungenmodelle, die mittels 3D-Druck aus menschlichen Zellen hergestellt werden können. Außerdem können mit bestimmten Blutzellen (sogenannte PBMCs (peripheral blood mononuclear cells)), die einfach aus einer Blutprobe gewonnen werden können, immunologische Vorgänge während Virusinfektionen untersucht werden. Auch Miniorgane eignen sich sehr gut als Forschungsmodelle. Hergestellt werden diese sogenannten Organoide über den Weg der pluripotenten Stammzellen. Beispielsweise werden Hautzellen eines Patienten dabei mit einem speziellen Verfahren auf Stammzellniveau zurückprogrammiert und durch Zugabe von bestimmten Nährmedien dazu gebracht, sich in verschiedenen Körperzellen wie Nieren- oder Lungenzellen zu entwickeln. Später erfolgt dann die Differenzierung der Zellen und die Bildung von winzigen Organstrukturen. Bringt man mehrere dieser Miniorgane auf einen Chip und verbindet sie mit einem Flüssigkeitskreislauf (analog dem Blutkreislauf) untereinander, so erhält man Multiorganchips. Mittels solcher Chips können nach Zugabe von Testsubstanzen oder des Virus die Reaktionen und Wechselwirkungen der vorhandenen Organe beobachtet werden. Ebenso zeigen Computerprogramme bei der Suche nach möglichen Wirkstoffkandidaten bedeutsame Resultate.
Es ist nur eine Frage der Zeit bis die nächste Pandemie kommt und damit wir zukünftig besser und schneller in der Erforschung von Krankheiten und ihren Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten vorankommen, ist es notwendig, von Tierversuchen abzusehen und humanbasierte moderne Methoden weiterzuentwickeln, zu fördern und finanziell zu unterstützen.
CHEXX Im Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm der Grünen findet sich zum Thema "Tierversuch" nur ein Satz "Tierversuche müssen konsequent reduziert und möglichst überflüssig werden". Das impliziert, "Tierversuche" seien notwendig. Wie beurteilen Sie solche Aussagen?
Ärzte gegen Tierversuche Es wird immer wieder behauptet, dass Versuche an Tieren notwendig sind, um beispielsweise Therapien für menschliche Krankheiten zu finden oder für den Menschen gefährliche Substanzen zu identifizieren. Das diese Annahme nicht nur nicht richtig, sondern gefährlich ist, zeigt die Medikamentenentwicklung. Der Weg zu einem neuen Medikament führt über sehr viele Tierversuche, um potenzielle Wirkungen und Nebenwirkungen zu erforschen. Allerdings versagen über 90 % der Stoffe, die erfolgreich an Tieren getestet werden, bei der Anwendung am Menschen. Und dass vor allem, weil sie nicht wirken oder hochgradige Nebenwirkungen verursachen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist bestimmt das Medikament Contergan, welches bei Einnahme in der Schwangerschaft Missbildungen bei den Föten auslösen kann. Tausende Kinder kamen mit schweren Fehlbildungen auf die Welt, da das Beruhigungs- und Schlafmittel gerade für Schwangere empfohlen wurde. Das Mittel galt als nebenwirkungsarm, da Versuche an Nagetieren keine unerwünschten Wirkungen zeigten.
Andersherum sind viele Medikamente, die bei Menschen helfen, für Tiere gefährlich. Das Schmerzmittel Paracetamol ist giftig für Katzen, Meerschweinchen reagieren empfindlich auf das Antibiotikum Penicillin. Viele Medikamente hätten wir also gar nicht, hätten sie durch das heutige Verfahren der Arzneimittelprüfung gemusst. Es ist also durchaus sehr wahrscheinlich, dass manche Wirkstoffe, die bei uns Menschen funktionieren würden, gar nicht in die klinische Testphase am Menschen kommen, da sie am Tier keine oder eine andere Wirkung zeigen. Wir Menschen unterscheiden uns schon individuell stark, wir reagieren unterschiedlich auf verschiedene Stoffe und Medikamente bezüglich unseres Alters, unseres Geschlechts und ganz persönlicher anderer Eigenschaften. Die Übertragbarkeit von Versuchen an Mäusen, Ratten oder anderen Tierarten auf den Menschen ist sehr spekulativ, da Tiere völlig anders aufgebaut sind und einen anderen Stoffwechsel haben als wir. Sogar Schimpansen, unsere evolutionär gesehen engsten Verwandten, erkranken nicht an AIDS, Hepatitis und Malaria, drei für den Menschen tödliche Erkrankungen. Warum hält man in einer Zeit, die Internet, Smartphone und Co bereitstellt, an einer Methode fest, die schon vor Hunderten von Jahren durchgeführt wurde? Und viel schlimmer, an einer Methode, die in all den Jahren kaum für den Menschen relevante Ergebnisse gebracht hat. Denn trotz über 150 Jahren tierexperimenteller Forschung gelten zweidrittel der menschlichen Krankheiten als nicht heilbar bzw. sind deren Ursachen noch nicht erforscht. Fraglich ist, ob die wenigen positiven Forschungsergebnisse wirklich auf den Tierversuch zurückzuführen sind oder eher Zufallstreffer darstellen. Vielleicht wären diese auch ohne Tierversuch gefunden worden, möglicherweise sogar früher?
Würde man in anderen Bereichen der Wissenschaft so denken, würden wir uns heute noch mit der Dampfmaschine fortbewegen oder mittels Rauchzeichen kommunizieren.
Natürlich stecken die tierversuchsfreien Methoden teilweise noch in den Kinderschuhen. Aber zum einen gibt es die meisten noch nicht so lange, zum anderen ist deren Förderung - wie bereits angesprochen - katastrophal. Der Vorteil ist aber, dass diese Methoden den Menschen im Fokus haben. Es kann mit menschlichen Zellen gearbeitet werden, sogar mit Zellen von individuellen Patienten. So lässt sich genau sagen, wie die Zellen dieses Menschen auf ein bestimmtes Medikament reagieren. Tierversuchsbefürworter argumentieren meist, dass man die Reaktion eines Gesamtorganismus braucht. Aber was hilft es, wenn wir wissen, wie der Gesamtorganismus einer Maus auf eine bestimmte Substanz reagiert?
Wir leben im 21. Jahrhundert mit wunderbaren Möglichkeiten und sollten diese konsequent und nachhaltig nutzen! Tierversuchsfreie Methoden sind im Vergleich zu Tierversuchen schneller, kostengünstiger, effektiver und leidfrei. Zum Wohle des Menschen sollte deshalb ein Paradigmenwechsel hin zu personalisierter, tierversuchsfreier Forschung erfolgen und diese besser gefördert werden.