Das Original erleben

Ausstellung "Rembrandts Orient" im Museum Barberini eröffnet. Die Erleichterung und Freude war der Direktorin des Museums Barberini in Potsdam, Ortrud Westheider, sehr deutlich von ihrem Gesicht abzulesen.

Foto von Ronald Keusch
Foto von Ronald Keusch

Auf der Online Pressekonferenz per Zoom konnte sie der Öffentlichkeit mitteilen: Noch im Sommer 2020 Pandemie-bedingt abgesagt, ist seit dem 13. März die Ausstellung "Rembrandts Orient" mit neun Monaten Verspätung nun endlich eröffnet. Zuvor wurde die Ausstellung der Westöstliche Begegnung in der Niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts im Kunstmuseum Basel gezeigt. "Die insgesamt 50 Leihgeber der Gemälde haben dieser Rochade in kürzester Zeit zugestimmt und dem globalen Dilemma aller Museen mit einer beispiellosen Solidarität begegnet", so Direktorin Westheider. Nun ist die Ausstellung in Potsdam aufgebaut, 26 Kuratoren und Restauratoren der leihgebenden Museen haben virtuell an dem Aufbau per Videokonferenz teilgenommen. Und die Direktorin lobt diese logistische Meisterleistung aller Beteiligten.

Die Ausstellung versetzt den Besucher an den Beginn der Globalisierung. In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts zeigt sich in der Kunst erstmals die Erkenntnis, dass Europa nur ein Teil der Welt ist. Nun spürt diese vom Rembrandt-Forscher Gerry Schwartz und dem Chef-Kurator vom Museum Barberini Michael Philipp zusammengestellte Ausstellung diesem neuen Weltbewusstsein nach.

Rembrandt Harmenszoon van Rijn, eigentlich nur bekannt unter seinem Vornamen Rembrandt, ist einer der bedeutendsten niederländischen Künstler. Er gilt in der Fachwelt als facettenreichster Künstler aller Zeit. Das beweist Rembrandt auch mit seiner Neugier auf alles Fremde. Sein Lebensmittelpunkt Amsterdam war dafür ideal als Sitz und Heimathafen der Niederländischen Ost- und Westindienkompanien gewissermaßen dem kulturellen Schmelztiegel in damaliger Zeit. So regte der Orient mit seinen Kulturen des Ostens zu einer großen Zahl von Gemälden und Zeichnungen an. Die Kulturen des Orients inspirierten die Vorstellung des Malers von den Schauplätzen biblischer Historien, einem seiner bevorzugten Genres. Sogar in Selbstbildnissen - auch in der Ausstellung zu sehen - zeigte sich der Künstler mehrfach in exotischer Kostümierung. Übrigens hat Rembrandt wie auch ein großer Teil seiner Malerkollegen in seinem gesamten Leben seine Heimat nie verlassen. So ist es auch zu erklären, dass manche Klischees und Stereotypen in den Werken auftauchen, die wenig oder keine Authentizität aufweisen.

Die Werkauswahl von insgesamt 110 Exponaten darunter Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafik und Bücher beschränkt sich nicht auf die Person Rembrandts mit 33 Werken. Neben Schöpfungen seiner Künstlerkollegen und Schüler werden auch Publikationen und andere Quellen zum damaligen Verständnis des Orients gezeigt. An erster Stelle steht der Amsterdamer Maler Pieter Lastmann, der das Thema des Orientalismus seinem damaligen jungen Schüler Rembrandt näherbrachte und sie mit biblischen Sujets verknüpfte.

Das Museum Barberini hat die Ausstellung auf rund 1.000 Quadratmetern im Erdgeschoss und in der ersten Etage aufgebaut. Die Kuratoren präsentieren die Ausstellung insgesamt in sieben Bereichen. Ihre Überschriften geben Orientierungen wie "Mit Turban und Seidenrock. Der Orient zu Hause" oder "Mit eigenen Augen? Echtheit und Klischee" oder "Erfassung der Welt. Sammeln und Forschen". Nach einem ersten Rundgang sind für mich besonders die Porträts und Porträt-Studien in verschiedenen Kleidungsstücken und Rollen in Erinnerung geblieben sowie einige faszinierende Stillleben. Die Wände der Ausstellungsräume mit dunkelgrüner Farbe und die wirkungsvoll platzierten Gemälde lassen den Betrachter ein wenig die Zauber von 1.001 Nacht erleben.

Doch mit Verschiebung und Neuaufbau der Ausstellung ist die Arbeit und Herausforderung für das Team um Museumsdirektorin Westheider zu Zeiten einer Corona-Pandemie Politik noch lange nicht getan. Denn auch nach der Wiederöffnung kann das Museum Barberini nur ein stark begrenztes Kartenkontingent anbieten. Der Zugang zum Museum ist - auch als Barberini Friend oder als Mitglied von ICOM o. ä. - ausschließlich über die Buchung eines Zeitfenster-Tickets möglich: Geduld und Glück ist gefragt, denn der Besucher kann nur jeweils drei Tage im voraus Tickets ergattern. Was hat das Museum mit dem Gesundheitsamt ausgehandelt? Alle 20 Minuten dürfen 20 Besucher eingelassen werden, also 80 pro Stunde und 680 pro Tag. Das ist gerade einmal ein Viertel der Besucherzahlen zu normalen Zeiten. Aber die befohlene Pandemie-Politik hat die Normalität versenkt. Wie lange noch? Die Laufzeit der Ausstellung geht bis zum 27. Juni 2021. Wie ein Damoklesschwert der ständigen Bedrohung können fragwürdige Inzidenz-Zahlen selbst die derzeitigen Hygienemaßnahmen im Museum einfach wegwischen und eine Schließung des Museums anordnen wie im letzten Jahr, als die Monet-Ausstellung abgebrochen werden musste.

Digitale Angebote rücken in diesen Zeiten in den Vordergrund. Das Museum hat eine Barberini App entwickelt, mit Audiotouren und Videos mit Experteninterviews, kostenlos erhältlich im App Store und bei Google Play. Ab 20.3.2021 können die Nutzer die Ausstellung Rembrandts Orient in einer 360 Grad Tour digital erkunden. Die Sammlung Hasso Plattner ist bereits online. Damit kann der Besucher virtuell von einem Ausstellungsraum zum anderen navigieren und durch die Zoom-Funktion jedes Bild im Detail betrachten.

Jedoch alle Digitaltechnik kann das unmittelbare Erlebnis der Ausstellung Rembrandts Orient im Barberini-Museum nicht ersetzen. Der Leitgedanke von Stifter und Mäzen Hasso Plattner lautet: "Das Original erleben, die Begeisterung teilen." Dieser Satz ist auch in Corona-Zeiten sehr wahr.

Text und Fotos von Ronald Keusch

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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