Künstlerkatastrophe Corona

Die Coronapandemie verursacht auf behördliche Anweisung hin geschlossene Fachgeschäfte, Handwerksbetriebe, Gaststätten, Kinos, Opernhäuser und Theater. Künstler, seien es Musiker, Dramaturgen, Sänger, Schauspieler, Regisseure, Balletttänzer u. v. a., können momentan weder in Schauspiel- noch Opernhäusern auftreten.

Foto von Ralf Flucke
Foto von Ralf Flucke

Außerhalb der Spielstätten finden Künstler jetzt auch keine Einnahmemöglichkeiten. Drehaufnahmen finden weder in Studios noch in der freien Natur statt. Radiostationen haben die Produktionen von Hörspielen ausgesetzt. Freie Musiker, die auf Hochzeiten und Beerdigungen sowie Firmenfeiern aufspielten, kommen aufgrund reglementierter Teilnehmerzahl bei Hochzeiten und Beerdigungen kaum zum Zuge. Firmenfeiern finden erst gar nicht statt. Plante das glückliche Pärchen beispielsweise vor Monaten zur Hochzeit Mitte April rund 80 Gäste ein, dürfen heute nicht einmal zehn Prozent der ursprünglich angedachten Teilnehmerzahl an Gästen kommen wegen der Coronapandemie. Für nur fünf Hochzeitsgäste lohnt sich für das unglückliche Brautpaar kein Musiker. In diesen Zeiten soll ein Musiker fröhliche Lieder zur Hochzeit aufspielen? Kaum denkbar! Zur aktuellen Situation von Kulturschaffenden sprach CHEXX mit Theaterintendant Günter Rüdiger. Er ist zugleich Künstlerischer Leiter des Zimmertheaters in der Bornstraße in Steglitz.

CHEXX Wie lange hält man diese Zeiten durch?

Günter Rüdiger Als kleines Privattheater können wir durch Rücklagen ein bis zwei Monate spielfreie Zeit finanziell überbrücken. Damit sind aber nur die Fixkosten wie Miete, Strom, Versicherungen etc. gedeckt. Die ausfallenden Honorare für die bei uns auftretenden Künstler können wir natürlich nicht auffangen.

CHEXX Die Bundesregierung als auch der Berliner Senat haben doch großzügige Hilfen, auch für Künstler, versprochen.

Günter Rüdiger Die staatlichen Hilfsangebote werden bei unserer Rechtsform als eingetragener gemeinnütziger Verein leider nicht greifen. Daher sind wir auf Spenden angewiesen. Als gemeinnützige Einrichtung sind wir in der Lage, auf Wunsch eine steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung auszustellen.

CHEXX Wissen Sie schon den konkreten Termin, wann im Zimmertheater wieder Aufführungen stattfinden dürfen?

Günter Rüdiger Der Berliner Kultursenator und Bürgermeister Dr. Klaus Lederer hatte ja ein Datum mitgeteilt. Ab 20. April soll der reguläre Spielbetrieb der Theater wieder stattfinden. Fast alle Theater haben auf ihren Websites die Spieltermine für die Zeit danach veröffentlicht. Unseren aktuellen Spielplan, auch mit den verschobenen Aufführungsterminen, kann man einsehen unter zimmertheater-steglitz.de.

CHEXX Wie kann man Ihnen bereits jetzt unter die Arme greifen?

Günter Rüdiger Das Publikum hilft uns im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man im Internet zu "Berlin.Helfen" geht. Es ist aktuell möglich, Ticket-Gutscheine für das Zimmertheater Steglitz zu erwerben. Wenn die Zuschauer die Ticket-Gutscheine bereits jetzt erwerben, hilft es uns, durch die dadurch erzielten Einnahmen den finanziellen Engpass ein wenig zu überbrücken.

CHEXX Haben Sie für Ihr Haus auch in Erwägung gezogen, die Palette der Einnahmen zu erweitern?

Günter Rüdiger Auf jeden Fall. Wenn ich es einmal so ausdrücken darf: "Jeder Groschen muss jetzt erst recht in unsere Theaterkasse fließen." Sobald Aufführungen wieder gestattet sind, würden wir zusätzlich unter der Woche vormittags geschlossene Vorstellungen für Kindergärten und abends für Erwachsene (ab 20 Personen) anbieten. Spieltermine und Stücke können individuell unter 030.25058078 vereinbart werden. Sollte die Sperre verlängert werden und wir in dieser Zeit nicht genügend Einnahmen durch Ticket-Gutscheine bzw. Spenden erzielen, muss in Erwägung gezogen werden, das Zimmertheater endgültig zu schließen. Das ist eine rein wirtschaftlich rechnerische Angelegenheit. Wer uns jetzt unterstützen möchte, kann auch gerne einen Betrag überweisen. Eine steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung kann ausgestellt werden!

CHEXX Alles Gute, verlieren Sie den Humor nicht!

Günter Rüdiger Nein, auf keinen Fall darf man den Humor und die Leichtigkeit des Lebens verlieren. Die jetzige Zeit erinnert mich stark an einen Sketch, den ich als junger Schauspielschüler einmal einem Schauspiellehrer vorführen musste! Ich spielte auf der Probenbühne einen Arzt und hatte einen Künstler als Patienten vor mir. Als Mann in dem weißen Kittel sagte ich zu dem Schauspielschulkommilitonen, der den Darsteller mimte: "Guter Mann, es sieht schlecht um Sie aus. Sie werden noch zwei Jahre leben! Das war es dann mit Ihnen." Der Mime fragte: "Sind Sie Humorist, Herr Doktor? Von was soll ich armer hungerleidender Künstler noch zwei Jahre leben?"

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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