Der Klimafeind: Das Auto

"Tue Gutes und rede darüber" - dieser alte Wahlspruch ist noch immer weit verbreitet. Besonders dann, wenn es um die Propagierung der eigenen politischen Botschaft und um die Selbstvermarktung in der Politik geht.
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures
Ronald Keusch, Foto von ESDES.Pictures

Folgerichtig nahm jüngst die Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Regine Günther, die Einladung an zum traditionellen Medienforum des TourismusDialogBerlin. Zu ihrer Unterstützung saßen im Präsidium Peter Buchner von der S-Bahn und Helmuth Grätz von der BVG Berliner Verkehrsbetriebe. Denn das Thema fragte "Unterwegs in Berlin - heute und morgen mobil genug?" Das Eingangs-Statement von Senatorin Günther, der studierten Historikerin und Politikwissenschaftlerin, konnte kaum eindeutiger sein. Die langjährige Direktorin und spätere Generaldirektorin für Klimaschutz und Energie in der Umweltstiftung WWF Deutschland (1999 bis 2016) läutet energisch und laut das Ende der Entwicklung einer autogerechten Stadt ein. Es führe kein Weg vorbei, so Senatorin Günther, dass wir die Anzahl der Autos im Straßenverkehr reduzieren, der Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell und wir müssen sehr schnell auf Elektromobilität umstellen. Senatorin Günther widersprach energisch, als Anti-Auto-Senatorin bezeichnet zu werden. Sie würde sich niemals so bezeichnen, das sei unsinnig. Doch von ihren PR- und Umfrage-Experten bei den Grünen könnte sie sich belehren lassen, dass ein wachsender Teil der Berliner Wahl-Bevölkerung durchaus eine Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt mit Augenmaß begrüßen würde. Da muss wohl niemand mit der Klima-Keule offene Türen einrennen. Sicher ist der häufigere Weg zu Fuß oder die stärkere Nutzung des Fahrrads zu begrüßen. Aber es führt in der Großstadt kein, wirklich kein Weg vorbei an einem funktionierenden Nahverkehrssystem. Wenn eine Großstadt wie Berlin ein gutes und modernes Angebot im öffentlichen Nahverkehr bietet, dann wird es auch stärker nachgefragt, beschied der Verkehrsexperte Grätz von der BVG dem versammelten Auditorium. Gibt es dieses Angebot? Die Wirklichkeit in der Stadt spricht leider eine andere Sprache. Täglich strömen 310.000 Brandenburger in die Stadt hinein und 180.000 Menschen aus Berlin heraus. Die heute schon viele Pendler nervende Überlastung der Verkehrswege wird in den nächsten Jahren weiter zu nehmen. Immer mehr Menschen zieht es nach Berlin und gleichzeitig werden immer mehr Menschen, vor allem durch fehlende Wohnungen und hohe Mieten, in das brandenburgische Umland gedrängt. Während die Zahl der Nutzer in ganz Berlin weiter steigt, wächst im Nahverkehr die Liste der Mängel und Probleme. Es fehlen neue Wagen für die Züge und Fahrer, es gibt zu wenig Kapazität in den Werkstätten, das Schienennetz samt Brücken ist nicht ausreichend saniert, Linien werden ausgedünnt usw. Die Zahl derer, die mit dem Nahverkehr in Berlin unzufrieden sind, wächst rasant. Das beste und überzeugendste Argument für eine Stadt mit weniger Autos ist nicht, allerorten Propaganda für Klimapolitik zu betreiben, sondern einen zuverlässigen, bequemen und sicheren Nahverkehr mit einem effektiven Preissystem zu organisieren. Schließlich wurde auch in der Diskussion festgestellt, dass ein anderer Komfort in S- und U-Bahnwagen anzustreben ist (Ölsardinen-Syndrom im Berufsverkehr), damit die Berliner lieber mit dem Nahverkehr fahren und das Auto dann abschaffen. Auf die Frage an Senatorin Günther, ob sie noch ein privates Auto hat, antwortete sie freimütig: "Ich habe zwei Dienstwagen, die fahre ich auch teilweise privat."

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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