Berliner Dance Parade

Ein zähes Ringen um die nächste Technoparade findet gerade in Berlin statt. Die für den 15. Juli geplante Berliner Dance Parade, kurz B-Parade, wird durch die Loveparade blockiert, die an diesem Tag ebenfalls durch Berlin ziehen will.

Foto von ESDES.Pictures
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Was es mit den Paraden in Berlin auf sich hat und warum es eine B-Parade geben soll, wollten wir von Ralf Lipus, dem Organisator der B-Parade wissen, der uns dieses Interview gab.

CHEXX Wieso sind auf einmal zwei Techno-Paraden für Berlin im Gespräch?

Ralf Lipus Die Loveparade hat quasi vor Toresschluss ihre Option wahrgenommen, den Start für den 15. Juli 2006 im altbekannten Tiergarten anzumelden. Rechtlich einwandfrei, nur eine gewisse Person aus dem Senat hat sich für die Loveparade sehr weit, zu weit, aus dem Fenster gelehnt und unsere Aktivitäten kurz vor Vollendung unseres Projekts sabotiert. Wir arbeiten seit nunmehr zwei Jahren an "unserer Parade für Berlin", haben massiv Zeit und Geld investiert und werden bis jetzt "ausgebremst". Somit kann man schon von zwei Paraden sprechen. Nur dürfen wir nicht vergessen: die Loveparade war immerhin in den Jahren 2004 und 2005 nicht in der Lage, in Berlin an den Start zu gehen, dafür aber in Mexico-City, Tel-Aviv und San Francisco. Und sie setzte in der Vergangenheit ausschließlich auf Techno, während der Zug der "elektronischen Musik" sie überlebte. Vielleicht auch ein Grund, warum die Zuschauerzahlen von 1,5 Millionen auf knapp 1/2 Million schrumpften und die Wagenanmeldungen von 54 auf 28 Trucks in 2003 abnahmen. Dann kamen noch persönliche Streitereien in der Geschäftsführung hinzu. All dieses bekam der "normale" Loveparade-Fan natürlich nicht mit. Und da kamen wir ins Spiel, mit neuen Leuten, neuen Konzepten und neuen diplomatischen Umgangsformen gegenüber dem Senat, den Medien und den Sponsoren.

CHEXX Was sind die Gründe für den Streit um den 15. Juli?

Ralf Lipus Die Gründe für den Streit liegen darin, dass die Planetcom GmbH eine Rahmenvereinbarung mit dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen vom 19.12.2002 hatte, die Loveparade bis einschließlich 2006 durchzuführen. Dann beantragte die Planetcom im September 2005 plötzlich die Insolvenz, u. a. durch fünfstellige Schulden, u. a. bei der Berliner Stadt-Reinigung. Dieser Insolvenz-Antrag wurde dann mangels Masse am 29.11.2005 beim AG Charlottenburg abgelehnt. Wir gingen somit davon aus, durch die Hinfälligkeit der Rahmenvereinbarung das Recht auf die Durchführung unserer Parade erhalten zu haben. Zumal auch, weil der Pressesprecher des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Frauen die Kündigung dieser Vereinbarung öffentlich bestätigte. Plötzlich reaktivierte dann der neue geschäftsführende Gesellschafter der Loveparade Rainer Schaller, Betreiber von derzeit 55 Fitness-Studios namens McFit, die insolvente Planetcom GmbH und wurde auch gleich deren Geschäftsführer. Damit wurden wir "ausgebremst".

CHEXX Wo liegen die Unterschiede zwischen den beiden Paraden?

Ralf Lipus Die Unterschiede liegen zwischen "nur" Techno bei der Loveparade und elektronischer Musik in ihrer gesamten Bandbreite bei uns. Weiterhin haben wir nicht vor, unsere Parade zu exportieren, denn "B" steht für Berlin. Wir wollen keine uniformierten Trucks haben; jeder Truck erhält die Möglichkeit zur Vielfalt auch bezüglich der Dekoration. Unser Line-up an der Siegessäule startet automatisch mit dem Start der Parade, also um 14.00 Uhr. Man braucht dort nicht elendig lange zu warten, bis der erste Truck kommt, sondern feiert direkt los, bis zum Ende um 23.20 Uhr. Weiterhin haben wir andere Umgangsformen, um mit den Medien zu reden, den Sponsoren, den Wagenbetreibern, dem Senat und unseren Kooperationspartnern. Ein komplett neuer Stil. Von Überheblichkeiten in der Kommunikation halten wir nix.

CHEXX Die Loveparade-Macher zeigten sich in den letzten Jahren als wenig professionell im Umgang mit Sponsoren und kümmerten sich wohl mehr um den Exportschlager Loveparade. Was werdet ihr anders machen?

Ralf Lipus Dr. Mottes Traum war, an einem Tag auf dieser Erde zig Loveparades gleichzeitig durchzuführen. Die Loveparade in Mexico-City wurde nachweislich durch das "Goethe-Institut" finanziell angeschoben, die Loveparade in Wien wurde nach kurzer Dauer insolvent. Die Loveparade in Großbritannien fand nicht statt, die geplante Loveparade in Barcelona wurde gezwungen, ihren Namen nicht zu verwenden und hieß dann letztendlich B-Parade, so wie wir auch. Die Paraden in Tel-Aviv und San Francisco liefen recht gut an. 2005 veränderte sich dann auch das Logo der Loveparade durch eine Ergänzung: United Nations of Love und dazu kam dann auch noch der Ehrenkranz der UN. Unverständlich für mich, dass die UN nicht rechtlich gegen dieses Logo vorging! Wie schon gesagt, wir wollen nix exportieren, wir wollen uns "nur" allen Interessenten der elektronischen Musik gegenüber öffnen. Wir möchten, wie schon erwähnt, negative Umgangsformen, die die Planetcom / Loveparade gegenüber den Medien, Sponsoren, dem Senat und Behörden praktizierte, niemals kopieren, weil wir dieses überhaupt nicht "auf dem Schirm" haben. Man hat Stil - oder eben nicht!

CHEXX Bei solchen Veranstaltungen geht es auch um viel Geld. Wie kommerziell wird die B-Parade sein?

Ralf Lipus Die kommerzielle Frage taucht überall und immer wieder auf. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir keine Demonstration sein wollen, sondern eine Veranstaltung. Das heißt, nur über Sponsoren ist ein solch riesiges Event zu stemmen. Wir müssen über anderthalb Millionen Euro erwirtschaften, um sie auch gleich wieder zu verteilen. Was dann über wäre, gleicht unsere Kosten aus, wie etwa Büro, Kommunikation, Arbeitszeit, Verlust der eigenen normalen Einkünfte, die ja wegfallen, da man sich für dieses Projekt engagiert. Und: wir sind auch kein "Ein-Mann-Betrieb", also kommen da Beträge zusammen, die sich innerhalb von zwei Jahren ganz schön aufgetürmt haben und für uns sehr hoch werden, wenn wir nicht starten können oder dürfen! Darüber klagen werden wir nicht, da wir das Risiko von Anfang an kannten. Wir wären gerne kommerziell, jedoch: von nichts kommt nichts... Die Sponsoren stufen unser Konzept aber positiv ein!

CHEXX Wann wird es eine Entscheidung geben, welche Parade am 15. Juli durch Berlin ziehen wird?

Ralf Lipus Die Entscheidung, welche Parade am 15. Juli durch Berlin ziehen wird, ist nach unserer Meinung schon längst im Senat gefällt worden, und zwar schon im Dezember, als der Loveparade-Vertreter und der neue Sponsor McFit den verantwortlichen Vertreter des Senats für sich überzeugten. Seit dem 3.8.2005 ist unser Projekt dem Senat bekannt und bis jetzt, also fette sechs Monate später, gibt es immer noch keine Reaktionen, sprich Ab- oder Zusagen offizieller Art. Extrem peinlich und skandalös! Wir haben aber einen Trumpf im Ärmel: schon im November 2005 stellten wir bei den entsprechenden Ämtern den Antrag auf Durchführung der B-Parade / Berlin Dance Parade für das jeweils zweite Wochenende im Juli im Tiergarten für die Jahre 2007 bis einschließlich 2011. Sollte die Loveparade gleiche Anträge stellen und der Senat sie favorisieren, dann müssen und werden wir rechtliche Schritte beschreiten und diese durch alle Instanzen durchziehen! Es ist aber irgendwie schon ein Treppenwitz: durch unsere Aktivitäten haben wir direkt die Loveparade und gleich die Planetcom mit reaktiviert und an den Start gebracht. Die inzwischen kolportiert Meinung, wir seinen "eine äußerst clevere Marketing-Strategie der Loveparade" ist leider schon "on Air" und wir können da schwer gegen rudern… Zu unserer Unterstützung und zur Beschleunigung der Senatsentscheidungen nach nunmehr sechs Monaten hat unser Kooperationspartner Wildside Events eine Unterschriftenkampagne eingerichtet und es wäre nett, wenn man davon Gebrauch machen würde.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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