Im Gespräch mit ... Fehlfarben

Sie haben Musikgeschichte mit ihrem Album "Monarchie und Alltag" geschrieben. Sie waren nie Mainstream, aber eine DER Kultbands der 80er Jahre und "Monarchie und Alltag" gilt als eine der besten deutschen Platten.

Fehlfarben
Fehlfarben

Nun ist ihr neues hoch gelobtes Album "Handbuch für die Welt" erschienen.

CHEXX Noch immer gilt die 1980 erschienene Platte "Monarchie und Alltag" als eines der besten deutschen Alben und prägte Anfang der 80er eine politisch aufgewühlte Generation mit. Was für ein Gefühl gibt Euch das?

Fehlfarben Man bekommt dadurch leicht das falsche Gefühl, schon einiges erreicht zu haben. Wir fürchten jedoch, dass wir noch sehr viel tun müssen. Und das ist genau der Grund, warum es uns immer noch gibt. Die, die uns damals aus den Löchern gelobt haben, müssen auch jetzt damit klar kommen, dass wir nicht wieder ins Loch zurück können.

CHEXX Damals hatten Fehlfarben einen ähnlichen Kultstatus wie Ton Steine Scherben. Habt Ihr das als Belastung oder Herausforderung empfunden?

Fehlfarben Sicherlich eher als Belastung. Das sieht man allein daran, dass Peter Hein und ich (Frank Fenstermacher) die Band verließen, da der drohende Erfolg des "Monarchie und Alltag" Albums persönlich als zu große Belastung empfunden wurde und man sich dem Vermarktungsdruck nicht beugen mochte.

CHEXX Legendär sind die Songs "Paul ist tot", "Grauschleier" und "Ein Jahr". Wie habt Ihr diese für Euch äußerst erfolgreiche Zeit erlebt?

Fehlfarben Wie gesagt, hatten Peter und ich die Band zur Zeit des Erfolges bereits verlassen und sind nicht mehr mit ihr aufgetreten. Wir haben also von unserem Ruhm seinerzeit Sex, Drug und Rock`n Roll-mäßig nicht viel gehabt.

CHEXX Warum mögt Ihr Euer eigenes Stück "Ein Jahr" (Geschichte wird gemacht - es geht voran) so wenig?

Fehlfarben Ganz einfach... weil die Zeile "keine Atempause, Geschichte wird gemacht" so benutzbar klingt und auch heute noch der Antriebsslogan des permanent schachernden ewig ängstlichen Erzkonservativismus ist und eigentlich längst ganz nachhaltig umgetextet gehört in "jetzt mal Atempause und gar nichts wird gemacht".

CHEXX Wie seht Ihr die Punk / Wave-Zeit, in der Euch auch Vorwürfe der Kommerzialisierung gemacht wurden, heute?

Fehlfarben Erfolg produziert immer auch Neid, davor sind auch wir selber nicht gefeit. Es gibt meiner Ansicht nach keinen Unterschied zwischen dem, der den kommerziellen Erfolg anstrebt und dem, der die Welt verbessern will. Trotzdem höre ich persönlich ein geistreiches Lied lieber als ein anderes. Das ist auch der Grund dafür, dass ich kaum das Radio mehr anmachen kann - leider... Ich halte es auch im Nachhinein, selbst als Macher des Indielabels Ata Tak immer noch nicht für falsch, dass Fehlfarben einst die Independent Szene verrieten und bei der EMI unterzeichneten. Hätten wir es nicht gemacht, hätten wir der Indieszene vermutlich viel mehr geschadet, weil viel weniger Aufmerksamkeit auf sie gefallen wäre und man das Feld gänzlich den Neue Deutsche Welle Klonen der Industrie überlassen hätte.

CHEXX Obwohl Ihr 1983 auch mit der LP "Glut und Asche" sehr erfolgreich wart, habt Ihr Euch 1984 getrennt. Erst viel später kam die Fehlfarben-Wiedervereinigung. Warum die Trennung?

Fehlfarben Es gab die erste elementare Trennung 1981, vor dem Chart-Entry der "Monarchie und Alltag", nachdem die Platte aufgenommen worden war. Danach führte Thomas Schwebel die Band mit wechselnden Besetzungen weiter. Die erste Wiedervereinigung der Originalbesetzung gab es 1992 mit der "Platte des himmlischen Friedens" und dann zehn Jahre später mit "Knietief im Dispo".

CHEXX Es gab Höhen und Tiefen für Euch. Von den Höhen einer Künstlerkarriere hört man viel, weniger von den Tiefen. Wie erlebt man nach einer aufregenden Zeit, in der alle Türen offen stehen, Tiefen?

Fehlfarben Also Türen standen eigentlich nie wirklich für uns offen, dafür ist das, was wir machen zu sperrig und die Verhältnisse dafür sind kulturell und emanzipatorisch nicht gegeben. Heute ist es für uns sicherlich noch schwieriger trotz der frühen Lorbeeren. Höhen gab es gewiss und vor allem ganz überraschend. Da muss man halt rüber und durch die darauf folgenden Tiefen ebenso. Im Grunde jedoch ist es manchmal wichtiger, eine konstruktive Kritik oder ein begründetes Lob zu hören, als blindes Kreischen von Millionen. Das Problem mag sein, dass man natürlich weder von Kritik noch von Lob existieren kann und eine Gruppe wie uns gibt es deshalb auch nur, weil wir wie damals ganz am Anfang, auch heute noch alle Lizenzen und Tantiemen kooperativ miteinander teilen.

CHEXX Ihr habt auch mit Campino und Helge Schneider zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Fehlfarben Wir haben für die im letzten Jahr erschienende Jubiläums-CD "26,5" uns bekannte und geschätzte Sängerinnen und Sänger gefragt, ob Sie für unser verpasstes 25jähriges Jubiläum nicht Peter Hein zuliebe eines seiner Lieder interpretieren möchten. Wobei wir Campino seit den ersten Tagen im Ratinger Hof und noch von ZK als Freund, Kollegen und Wegbegleiter kennen und Helge Schneider sich mit Peter Hein wohl bei einem medialen Wohltätigkeitskonzert angefreundet hatte.

CHEXX Und es gibt Verbindungen zu "DAF", die in den Zeiten der NDW mit "Der Mussolini" in den Charts punkteten. Was hat es damit auf sich?

Fehlfarben Fehlfarben waren seinerzeit schon eine Konklomeratband, eine Art Forum oder Sprachrohr für Musiker verschiedener Bands. Thomas Schwebel, unser Gitarrist spielte bei "S.Y.P.H." und "Mittagspause", Peter Hein bei "Mittagspause", Michael Kemner spielte bei "DAF", Uwe Bauer bei "Materialschlacht". Und ich bei "Der Plan".

CHEXX Viele Bands sehen in Fehlfarben ein Vorbild. Welche musikalischen Vorbilder habt Ihr?

Fehlfarben Das ist schwer zu sagen. Peter Heins Vorbilder würde ich im britischen Punk suchen. Bei Thomas Schwebel wohl ebenso, aber auch im amerikanischen Funk. Ich hörte damals sowohl Punk und New Wave, als auch Obskureres wie Throbbing Gristle, Residents, Chrome und Wire. Ich kam allerdings vom Jazz, und da hörte ich die amerikanischen Saxophonisten, die sich auf Afrika besannen: Coltrane, Parker, Kirk, Sanders, Lateef, Shepp.

CHEXX Juli, Silbermond, Biedermann… Deutschsprachiges ist seit einiger Zeit stark im Trend. Freut Euch das, da Ihr schon immer in deutsch gesungen habt und in gewisser Weise mit Vorreiter eines Trends wart?

Fehlfarben Wir freuen uns über jede gute Musik und jeden guten Text, auch wenn er deutschsprachig ist.

CHEXX Eure neue CD "Handbuch für die Welt" wird schon als bestes Album seit "Monarchie und Alltag" gehandelt. Der Titel klingt so nach "Schlauem Buch" des Fähnlein Fieselschweif…

Fehlfarben Nein. "Handbuch für die Welt", auch wenn es wie ein Buch verpackt ist, ist alles andere als eine Gebrauchsanleitung für die Welt. Es gibt dort keine technischen Anweisungen für den Gebrauch der Welt oder die Art und Weise ihrer Benutzung. Es konstatiert, dass uns bei allen Handbüchern, die wir für unsere Dinge haben, das Handbuch für die Welt leider abhanden gekommen ist bzw. siehe Klimawandel, offensichtlich gänzlich fehlt.

CHEXX Momentan sind gerade Remixe alter Hits sehr erfolgreich. Ihr habt zu einem Remixwettbewerb aufgerufen. Entdecke ich da Denkmalpflege oder was steckt dahinter?

Fehlfarben Wir haben auf unserer Webseite dazu aufgerufen, ein Stück der neuen CD "PolitDisko" zu remixen. Wie der Titel schon sagt, ist es ein politischer Text mit einem tanzbaren Tempo und Rhythmus und es reizt uns, zu erfahren, ob ein politischer Text und körperliche Rhythmik eine geistig lebendige Mischung bilden können.

Marc Vorwerk ist einer der Topfotografen in Berlin und begeistert mit seinen Werken Wirtschaft, Politik und Kultur.
An dieser Stelle gibt es im Wechsel sein bestes Foto exklusiv bei CHEXX.

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